Noch Ende Juni titelten die Zeitungen der "Sudpresse" optimistisch: "Duferco La Louvière: Das Ende der Saga um radioaktiven Abfall". Doch jetzt sieht es so aus, als ob die Saga um ein weiteres Kapitel verlängert werden muss. Grund dafür ist der gleiche Vorfall, über den die Sudpresse im Juni berichtete. Da hatte Duferco gerade erfahren, bis 2022 Zeit zu haben, um den radioaktiven Abfall zu entsorgen, der seit sechs Jahren in einem Spezialgebäude gebunkert wird.
Vor sechs Jahren, 2011, war dieser Abfall auch entstanden. Damals wurden ganze 320 Tonnen radioaktives Material am und um den elektrischen Ofen von Duferco La Louvière festgestellt. Staub, der sich beim Einsatz des Alkalimetalls Cäsium 137 bei der Produktion entwickelt hatte. Duferco beauftragte damals die Spezialfirma Controlatom damit, sich um die fachgerechte Beseitigung des radioaktiven Staubs zu kümmern. Doch da die Menge so groß war, bat Controlatom um Unterstützung. Duferco sollte Mitarbeiter als Hilfe zur Verfügung stellen.
Ungereimtheiten
Das tat Duferco auch, und an dem Tag der Entsorgung beobachtete Mustafa Ekinci Ungereimtheiten. Der ehemalige FGTB-Delegierter bei Duferco La Louvière sagt: "Ein Teil des Staubs ist ein bisschen überall verteilt, und nicht in die Silos geschüttet worden, wie es eigentlich hätte sein sollen." Oder anders ausgedrückt: Einen Teil des radioaktiven Materials haben die Duferco-Mitarbeiter, die bei der Entsorgung helfen sollten, nicht ordnungsgemäß vorläufig entsorgt, sondern einfach im Boden vergraben. Das habe die Unternehmensleitung wohl so angeordnet, so Ekinci.
Vorwürfe, die das Recherche-Magazin "Médor" bestätigt. Journalist Philippe Engels hat mit rund 20 ehemaligen Mitarbeitern von Duferco gesprochen und selbst recherchiert. Er kommt zu dem Ergebnis: "Für Duferco war dieses radioaktive Material eine ziemliche Belastung, es war gleichbedeutend mit hohen Kosten. Das entsprach ganz und gar nicht dem Ziel des Unternehmens, auf Teufel komm raus Gewinne zu erzielen und die Kosten niedrig zu halten. Deshalb denke ich, dass es nicht ganz abwegig ist zu vermuten, dass die Unternehmensleitung sich darum bemüht hat, zumindest einen Teil des radioaktiven Abfalls einfach so zu beseitigen."
Staatsanwaltschaft von Charleroi ermittelt
Aber natürlich, so der Journalist, sei der Nachweis für diese Vermutung jetzt Aufgabe der Justiz. Tatsächlich haben Mustafa Ekinci und ein ehemaliger Kollege Anzeige gegen Duferco erstattet. Die Staatsanwaltschaft von Charleroi hat Ermittlungen aufgenommen.
Duferco bestreitet die Vorwürfe. Gegenüber der RTBF sagte Olivier Waleffe, Chef von Duferco Belgien, am Dienstagvormittag: "Welche technische Logik hätte hinter so einem Vorgehen stehen sollen? Und aus wirtschaftlicher Sicht macht es kaum Sinn, ein paar Tonnen im Boden zu vergraben, wenn man sowieso eine enorme Menge an radioaktivem Material entsorgen muss. Was wäre die Glaubwürdigkeit einer solchen Dummheit?" Wenn Duferco radioaktives Material in der Erde verbuddelt haben sollte, dann müsste man das sicher auch finden können, so der Duferco-Chef weiter.
Grabungen auf dem ehemaligen Firmengelände könnten tatsächlich ein Ansatzpunkt für die Justiz sein, die Vorwürfe zu klären. Denn angeblich wollen sich ehemalige Mitarbeiter daran erinnern, wo der radioaktive Abfall im Boden liegen soll. Man darf gespannt sein, ob die Justiz dieser Fährte nachgehen wird.
Kay Wagner