Einige doch heftige Schlagzeilen in den Zeitungen lautet am Mittwoch: "Wusste Albert Frère vom Schmiergeld an IS", schreibt etwa Het Nieuwsblad. Wenn, dann ist der Zusammenhang aber nicht so unmittelbar, wie es sich hier anhören mag.
Es war die französische Zeitung "Le Monde", die die Sache im Juni letzten Jahres ans Licht brachte. Im Mittelpunkt steht eine Betonfabrik im Norden Syriens. Der französisch-schweizerische Zementriese Lafarge hat die Produktionsniederlassung im Jahr 2007 gekauft und dann zur größten Betonfabrik im Mittleren Osten ausgebaut.
Damals war es noch ruhig in dem Land. Im Frühjahr 2011 brach dann aber der Bürgerkrieg in Syrien aus. Lafarge gab die Order aus, dass der Betrieb in der Fabrik "koste es, was es wolle" aufrechterhalten werden müsse. Dafür wurde ein Sondergesandter in die Region geschickt, ein "Mann fürs Grobe" sozusagen. Der wurde vor allem mit einem ausgestattet, nämlich mit Geld. 80.000 bis 100.000 Dollar pro Monat soll er zur Verfügung gehabt haben. Und das diente dann buchstäblich als Schutzgeld. Es wurde großzügig an alle bewaffneten Gruppen in der Region verteilt, eben verbunden mit der Auflage, dass dafür die Fabrik aus der Schusslinie gehalten werden sollte.
Irgendwann zwischen 2012 und 2013 fiel dann aber die Terrormiliz IS in die Region ein und übernahm das Kommando. Die Fabrik liegt nur rund 90 Kilometer von Raqqa entfernt, der Stadt, die schnell zur "Hauptstadt" des selbst ernannten Kalifats aufsteigen sollte. Besagte Schutzgelder gingen damit also ab 2013 an den IS.
Drei Probleme gibt es also. Erstens: Lafarge produzierte weiter in einer Fabrik, die auf IS-kontrolliertem Gebiet war, wodurch das internationale Embargo unterlaufen wurde. Außerdem hat man seinerzeit anscheinend sogar dem IS Erdöl abgekauft. Zweitens: Das Unternehmen hat dabei die Sicherheit seiner Mitarbeiter gefährdet, und zwar nachweislich. Einige Personalmitglieder wurden zwischenzeitlich von Terroristen entführt. Und drittens gab es dann eben obendrauf auch noch Direktzahlungen an die Terrorgruppe.
Genützt hat das offensichtlich letztlich nichts: 2014 wurde das Werk dann doch von IS-Kämpfern angegriffen und dann auch von der Miliz übernommen. Unterm Strich ergibt das jedenfalls eine Latte von Vorwürfen, die alles andere als schmeichelhaft sind: Finanzierung einer terroristischen Vereinigung und Verstoß gegen ein internationales Embargo.
Besonders pikant wird das Ganze, wenn man weiß, dass Lafarge den ganzen besagten Zeitraum über in engem Kontakt stand mit dem französischen Außenministerium. Die Geschichte bekommt damit die Züge einer Staatsaffäre. Entsprechend sind in Frankreich gleich drei Untersuchungsrichter mit dem Fall betraut.
Nur: Wer "Lafarge" sagt, der sagt auch GBL. Die Groupe Bruxelles Lambert hält rund 10 Prozent an dem Unternehmen, das inzwischen - nach einer Fusion mit einem schweizerischen Baustoffhersteller - LafargeHolcim heißt. Zwei Vertreter von GBL sitzen auch im Aufsichtsrat von LafargeHolcim, darunter der GBL-Geschäftsführer Gérard Lamarche.
Und wer "GBL" sagt, der sagt eben auch Albert Frère. GBL war immer das wichtigste Instrument des Milliardärs aus Charleroi, er ist auch nach wie vor der Hauptanteilseigner. Inzwischen hat sich Frère allerdings aus dem operativen Geschäft zurückgezogen.
Fakt ist: Die französische Justiz hat am Dienstag eine großangelegte Hausdurchsuchung bei LafargeHolcim durchgeführt. Und zeitgleich bekam auch GBL Besuch von der belgischen Polizei. Sogar die Privatwohnung von GBL-Geschäftsführer Gérard Lamarche wurde durchsucht. Man will offenbar ermitteln, ob bzw. inwieweit man bei GBL von den Lafarge-Aktivitäten in Syrien gewusst hat.
"Wir arbeiten zu 100 Prozent mit den Behörden zusammen", zitiert Het Nieuwsblad einen GBL-Sprecher. Und eines sei sicher: Albert Frère selbst habe sich zum fraglichen Zeitpunkt nicht mit dem tagtäglichen Geschäft beschäftigt. Von eventuellen Vorfällen in Syrien habe er bestimmt nichts gewusst...
Roger Pint