Selbst Mobilitätsminister Carlo Di Antonio wollte das Konstrukt, das am Mittwoch mit den Stimmen der Mehrheitsparteien MR und CDH als Dekret angenommen wurde, nicht als wirklichen "Minimaldienst" bezeichnen. Die beschlossenen Maßnahmen seien kein Minimaldienst, sondern eine Organisation des öffentlichen Nahverkehrs an Streiktagen. "Es ist nicht zu akzeptieren, wenn 200 oder 300 Streikende einen Betrieb mit 5.000 Mitarbeitern so sehr stören, dass nur noch zehn bis 15 Prozent der normalen Fahrten ausgeführt werden können", so Di Antonio.
Aber keiner werde zu etwas gezwungen, weshalb die TEC im Falle eines Streiks auch keine Buslinien garantieren könne. Aber immerhin: Im Falle eines Streiks sollen sich die TEC-Mitarbeiter, die trotz Streiks arbeiten wollen, künftig 24 Stunden vor Beginn des Streiks in Listen eintragen. Mit dem verfügbaren Personal schaut dann die jeweilige Depotleitung, wie viele Busse fahren können. Priorität sollen dann die Linien haben, die zu Schulen und zu Krankenhäusern fahren. Die Fahrgäste sollen an Streiktagen dann von der TEC informiert werden, welche Linien funktionieren und welche nicht.
Konfliktpotenzial
Der Ecolo-Abgeordnete Matthieu Daele findet das einen Witz. "Das ist alles andere als ein Minimaldienst. Das ist ein Dienst, der willkürlich ausfällt. Denn was wird vorgeschlagen? Ein Streikender darf ein Streikender bleiben. Man schaut, wer zum Arbeiten erscheint, und entsprechend wird der Dienst organisiert", sagte er am Mittwoch im wallonischen Parlament.
Doch nicht nur die fehlende Zuverlässigkeit bezüglich der Busse, die im Fall eines Streiks fahren sollen, kritisiert Daele. Auch die Prioritäten, also zunächst die Busse fahren zu lassen, die zu Schulen und zu Krankenhäusern fahren. Denn, so fragt Daele: "Kennen Sie viele Buslinien, die weder an einer Schule noch an einem Krankenhaus vorbeiführen? Ich kennen keine."
Stoffels: "Politischer Populismus"
Das alles sei viel zu unausgegoren, und werde letztlich kaum etwas für den Kunden ändern. Oder, wie es PS-Fraktionsmitglied Edmund Stoffels am Donnerstagmorgen gegenüber dem BRF ausdrückte: "Das ist reiner politischer Populismus, der da betrieben wird." Zwar erkennt Stoffels an: "Das ist sicherlich eine Sache, die von vielen begrüßt werden wird, damit zum Beispiel die Schüler zu ihren Prüfungen und Patienten zum Spital fahren können, wenn ein Streik ansteht. Doch grundsätzlich werde das Problem am falschen Ende angepackt.
Besser, als Maßnahmen zu ergreifen, wie die Busse im Fall eines Streiks doch fahren können, also eine Art Minimaldienst einzuführen, wäre es doch, eine Art Maximaldienst zu schaffen, also massiv in die TEC zu investieren.
Um erstens für die Kunden immer genügend Busse zur Verfügung stellen zu können. Und um zweitens den TEC-Mitarbeitern solche Arbeitsbedingungen zu bieten, unter denen sie ihre Arbeit gerne ausüben.
"Dann werden sich auch im Umkehrschluss die Fragen, die sich auf die Streiktage beziehen gar nicht mehr stellen müssen, weil die Arbeitsbedingungen so sind, dass das Problem im Grunde genommen gelöst wird, bevor es entsteht", so Stoffels. Denn ohne Streiks keine Notwendigkeit für einen Minimaldienst. So sieht das Stoffels.
Arbeitnehmervertreter skeptisch
Die Regierung hat einen anderen Weg eingeschlagen. Das Dekret zum neuen Minimaldienst müssen Regierungsvertreter jetzt noch zusammen mit den Gewerkschaften in den Betriebswirtschaftsplan der TEC einbauen. Bei den Arbeitnehmervertretern stößt das Vorhaben naturgemäß auf Skepsis.
"Wenn wir die Arbeit niederlegen, dann machen wir das vielleicht auch als Antwort auf den Terrorismus, den die Politiker gegenüber den Arbeitnehmern ausüben. Und eine Streikankündigung bedeutet nicht die Arbeitsniederlegung für ein paar Stunden in einer gewissen Abteilung. Das bedeutet Streik für 24 Stunden im ganzen Gebiet, sagt Bruno Belluz von der CSC.
Kay Wagner