In den Niederlanden gibt es seit vergangener Woche einen handfesten Asbestskandal. Das schwer gesundheitsschädliche und krebserregende Material wurde im Strahlsand der Firma Eurogrit gefunden. Dieser wird gebraucht, um Farbe oder Rost an Maschinen zu entfernen. Aber auch Bauunternehmen und Anstreicher nutzen ihn, um damit sandzustrahlen. Der kontaminierte Reiniger mit dem Namen „Straalgrit“ wurde in den Niederlanden und auch nach Belgien verkauft.
Unser Nachbarland hat nach Bekanntwerden der Asbestverunreinigung zahlreiche Maßnahmen getroffen: Baustellen und Firmen wurden geschlossen, die Arbeiter nach Hause geschickt. „Chrysotil“ oder „Weißasbest“ heißen die losen Fasern, die sich unter den Strahlsand gemischt hatten. Ihr Anteil: zwischen 0,1 und zwei Prozent.
Die niederländischen Behörden schlugen sofort Alarm. Viele Baustellen wurden wegen Asbestgefahr stillgelegt, Unternehmen machten dicht, Arbeitnehmer mussten nach Hause gehen. In Belgien sehen die Behörden bislang keine Gefahr.
140 Betriebe stehen auf der Kundenliste von Eurogrit. Wie groß das Problem tatsächlich ist, ist schwer zu sagen. Viele Zwischen- und Großhändler haben „Straalgrit“ an andere Betriebe und Einzelpersonen weiterverkauft. Diese haben damit gearbeitet oder selbst vielleicht weiterveräußert.
Auch die Herkunft ist noch unklar: Vermutlich kommt das kontaminierte Produkt aus der Ukraine: Fest steht nur: „Straalgrit“ ist auch nach Belgien gelangt. Eine betroffene belgische Firma ist Smulders Projects in der Antwerpener Gemeinde Hoboken.
„Am 9. Oktober, an dem Tag als der Asbestskandal in den Niederlanden bekannt wurde, wurden wir von unserem Lieferanten informiert, das möglicherweise etwas mit dem Strahlsand nicht in Ordnung ist“, erzählt Carla Wellens von Smulders Projects. Man nahm daraufhin selbst Kontakt mit der Arbeitsinspektion auf und rief eine Spezialfirma für Asbestbeseitigung.
„Erst musste einmal geklärt werden, wie groß die Gefahr tatsächlich ist“, erklärt Jan de Rycker von Smulders Projects. Das Thema Asbest müsse man sehr ernst nehmen, die Mitarbeiter hätten panisch reagiert. Deshalb habe man beschlossen, die gesamte Produktion stillzulegen. Hunderte Mitarbeiter wurde nach Hause geschickt.
Die Spezialfirma fand vier kontaminierte unter 200 Proben. Nachdem alle betroffenen Bereiche gereinigt waren, konnte Smulders Projects den Betrieb nach einer Woche wiederaufnehmen. Auf den Kosten bleiben die Antwerpener erst mal sitzen.
Für Bob Rottiers, Vorsitzender der Vereinigung Asbestbeseitigender Betriebe war die Vorsichtsmaßnahme begründet. Arbeiten mit asbestverseuchtem Strahlsand ist lebensgefährlich: Indem man Asbest mit hohem Druck auf Metall spritzt, werden die Asbestfasern noch kleiner und feiner und werden so leichter eingeatmet. Hinzukommt: Die Mitarbeiter hatten weder Asbestfilter noch gab es andere Schutzbestimmungen.
Doch während in den Niederlanden sofort mit einem Aktionsplan reagiert wurde, taten die belgischen Behörden zu wenig, kritisiert Bob Rottiers. Luc Van Hamme von der Arbeitsinspektion verteidigt das Vorgehen. Man sei von der flämischen Umweltbehörde informiert worden. Daraufhin habe man Kontakt mit dem niederländischen Lieferanten aufgenommen und die Liste der betroffenen Betriebe erhalten.
Die Gesetzgebung sei klar: verantwortlich ist der Arbeitgeber. Der müsse die notwendigen Maßnahmen zum Schutz seiner Mitarbeiter treffen. Die Arbeitsinspektion habe den betroffenen Betrieben geraten, die verseuchten Partien nicht zu gebrauchen und die Verpackungen nicht zu öffnen.
Eine Stilllegung von Betrieben habe man nicht angeordnet. Das sei nur möglich, wenn es eine drohende Gefahr gebe. Und eine drohende Gefahr, die habe es nicht gegeben.
Volker Krings - Illustrationsbild: belga