Michael O'Leary kommt zwar nicht aus dem Wilden Westen, der Ire verhält sich gerade aber wie ein waschechter Cowboy. Gerade erst hatte seine Gesellschaft Ryanair 2.100 Flüge gestrichen und damit für eine Welle der Empörung gesorgt. Als sich das Chaos wieder etwas gelichtet hatte, legte der Billigflieger noch eine Schippe drauf. Und was für eine.
Am Mittwoch gab die Airline bekannt, dass weitere 18.000 Flüge annulliert werden. Konkret ist es so, dass 25 der eigentlich 400 zur Verfügung stehenden Flugzeuge am Boden bleiben werden. Was natürlich zur Folge hat, dass entsprechend weniger Flüge stattfinden können. Ryanair hat offensichtlich versucht, die Streichungen diesmal besser zu fokussieren, in dem Sinne, dass 34 Verbindungen ganz gestrichen werden. Ersatzlos. Keine dieser 34 Verbindungen betrifft einen der beiden belgischen Standorte.
Darüber hinaus können aber weiterhin auch bei anderen Verbindungen die Flugpläne verändert werden. Was dann doch wieder für eine große Unsicherheit unter den Kunden sorgt. Auch am Flughafen Charleroi weiß man bislang noch nicht, welche Auswirkungen im Einzelnen zu erwarten sind, wie auch Flughafensprecher Vincent Grassa in der RTBF erklärte.
Aber eins ist sicher: Die neue Welle von Flugstreichungen bei Ryanair wird Auswirkungen auf Charleroi haben. Das bestätigte auch Flughafenchef Jean-Jacques Cloquet in der RTBF. In diesem Jahr werde man wohl rund 60.000 Fluggäste verlieren. Das sei nicht weiter schlimm, weil der Rest des Jahres besser gelaufen sei als ursprünglich gedacht. Allerdings werde des nächste Jahr wohl ein schwieriges.
Bislang ist ja nur von Flugstreichungen bis März die Rede. Cloquet denkt aber offensichtlich nicht nur an das erste Quartal. Man müsse befürchten, dass die Krise wohl noch länger dauern werde, sagt der Geschäftsführer des Regionalflughafen. Die Probleme bei Ryanair in punkto Personalplanung seien doch so erheblich, dass sie wohl vielleicht erst in einem Jahr gelöst sind.
Charleroi = vier Fünftel Ryanair
Dass die Krise bei einer Fluggesellschaft für den Flughafen Charleroi ebenfalls eine Krise bedeuten, dafür gibt es natürlich einen Grund, der so alt wie bekannt ist: Ryanair und Charleroi, das sind aus belgischer Sicht fast Synonyme. Acht von zehn Fliegern, die im Hennegau in die Lüfte steigen, haben die Harfe auf der Heckflosse.
"Klar sind wir seit 20 Jahren abhängig von Ryanair. Deswegen versuchen wir ja schon seit einiger Zeit, auch noch andere Airlines anzuziehen", sagt Jean-Jacques Cloquet. Mit 78 Prozent aller Flugbewegungen nimmt Ryanair aber immer noch den Löwenanteil in Charleroi ein.
Nur dürfe man natürlich jetzt nicht verteufeln, was man früher mit Kusshand genommen hat, sagt Cloquet. Wenn wir in den Spiegel schauen, dann müssen wir zugeben: Es ist Ryanair, das Charleroi groß gemacht hat. "Das bedeutet nicht, dass man die Geschäftspraktiken der Gesellschaft und ihres impulsiven Geschäftsführers dafür gutheißen muss. Aber es ist, wie es ist."
Das anhaltende Chaos bei Ryanair sorgt jedenfalls in Charleroi für hörbare Besorgnis. Verbraucherschützer sind ihrerseits auf 180. "Was soll der Zirkus", sagte Jean-Philippe Ducart von Test Achats. "Dieser Gesellschaft kann man doch nichts mehr glauben. Ein Schleuderkurs in der Kommunikation und viele Versprechen - wobei man erstmal abwarten muss, ob Ryanair die auch halten wird."
Ryanair und auch Geschäftsführer O'Leary scheinen jetzt jedenfalls erstmals ihre Grenzen aufgezeigt zu bekommen. Der Konflikt mit den Piloten, die nicht nur ihren Urlaub nehmen wollen, sondern auch bessere Arbeitsbedingungen fordern, sorgt für einen enormen Imageschaden. Und vielleicht ist es tatsächlich, wie einige Experten sagen, das Ende eines Geschäftsmodells.
Roger Pint - Bild: Eric Lalmand/Belga