"Wir haben es vermasselt", so brachte es der Marketingchef von Ryanair auf den Punkt. Ab dem 1. Januar muss Ryanair nämlich die Urlaubsplanung mit dem Kalenderjahr Januar bis Dezember abgleichen, bislang lief das entsprechend dem Buchungsjahr von April bis März.
Die Folge: Momentan nehmen extrem viele Piloten Urlaub, damit sie vor dem ersten Januar auf Null sind. Nach dem alten System hätten sie bis Ende März Zeit gehabt, durch die Umstellung aber nur noch bis Ende Dezember. Dadurch gibt es zu wenig Piloten, um alle Flüge wie geplant starten zu lassen. Und Ryanair musste nun die Notbremse ziehen und die Flüge streichen.
Schadenersatz und Kostenerstattung
Das könnte die Fluggesellschaft teuer zu stehen kommen, denn wenn die Annullierung eines Flugs weniger als zwei Wochen vor dem geplanten Start erfolgt, dann hat man als Kunde Anrecht auf "Umbuchen oder Geld zurück" und dazu noch auf Schadenersatz.
Bei Flügen bis 1.500 Kilometer darf man 250 Euro einfordern, bei Flügen über 1500 Kilometer innerhalb der EU sind es 400 Euro und für alle anderen Flüge auf 600 Euro.
Doch Ryanair spekuliert wohl darauf, dass die meisten Reisenden das gar nicht wissen, oder dass es ihnen zu mühsam ist, die ganze Prozedur anzugehen. Denn Experten gehen davon aus, dass es nicht einfach werden wird, das Geld zu bekommen.
Wer im Urlaub ist und durch einen Flugausfall nicht zurück nach Belgien kehren kann, dem muss Ryanair alle Kosten zurückerstatten: zusätzliche Hotelübernachtungen, Essen, Transport zwischen Hotel und Flughafen und zwei Telefongespräche.
Mailbenachrichtigungen
Die Betroffenen werden von Ryanair per Mail benachrichtigt. Am Wochenende wurden die Passagiere für die Flüge bis Mittwoch benachrichtigt. In Zaventem fallen bis Mittwoch insgesamt vier Flüge nach Dublin und Barcelona weg, in Charleroi sind acht Flüge unter anderem nach Madrid betroffen.
Wer umbuchen möchte oder sein Geld zurück, stellt einen Antrag auf der Website von Ryanair. Für Schadenersatzzahlungen oder die Rückerstattung von Kosten muss man einen Brief an die Ryanair-Zentrale nach Irland schicken.
Test-Achats reagiert
Die Verbraucherschutzorganisation Test-Achats hat - zusammen mit Schwesterorganisationen in Italien, Spanien und Portugal - Ryanair eine förmliche Aufforderung zukommen lassen, die Passagiere, deren Flüge die Fluggesellschaft annulliere, umfassend über ihre Rechte zu informieren. Das tue Ryanair nämlich jetzt nicht: Sie biete allein einen Alternativflug an, oder die Rückzahlung des Flugpreises. Die betroffenen Passagiere hätten aber auch Anrecht auf eine Vergütung bis zu 600 Euro und auf die Erstattung aller anderen Unkosten. Ryanair habe acht Tage, um auf die Aufforderung zu reagieren, anderenfalls wollen die Verbraucherorganisationen vor Gericht gehen.
Auch die EU-Kommission mahnte die irische Fluggesellschaft, die europäischen Verbraucherrechte der Passagiere zu achten. Gleichzeitig werden Zweifel an den von Ryanair vorgebrachten Begründungen laut. Statt einer verfehlten Personalplanung könnten nach Ansicht von Experten auch massenhafte Kündigungen von Piloten oder eine strategische Entscheidung zur Air-Berlin-Insolvenz hinter den Flugstreichungen stehen.
Ryanair-Chef Michael O'Leary rechnet mit einem negativen Ergebniseffekt von "unter fünf Millionen Euro", wie er am Montag in London sagte. Die Ausgleichsansprüche bezifferte er auf bis zu 20 Millionen Euro. O'Leary räumte ein, dass die Streichungen das Image von Ryanair beschädigen könnten. Die Piloten will Ryanair mit einem "Loyalitätsbonus" bei der Stange halten. Wie O'Leary weiter sagte, würden Konkurrenten um die Piloten von Ryanair buhlen - es gebe jedoch keinen Personalengpass. Die deutsche Gewerkschaft Vereinigung Cockpit teilte hingegen mit, dass Ryanair-Piloten bei anderen Gesellschaften anheuern wollten.
Charleroi gehört mit den Flughäfen Barcelona, Dublin, Lissabon, London, Madrid, Mailand, Bergamo, Porto und Rom zu den von den Flugstreichungen am meisten betroffenen Flughäfen. Dazu heißt es von Seiten der Fluggesellschaft, diese Flughäfen seien ausgewählt worden, weil viele Maschinen der Gesellschaft dort starten und landen und weil die Ziele mehrmals am Tag angeflogen werden. Ryanair betont noch einmal, dass die Streichungen nur zwei Prozent des Angebots betreffen würden. Ryanair-Chef O'Leary erklärte am Montag, er denke dass er 75 Prozent der betroffenen Passagiere eine Alternative am gleichen Tag anbieten könne. (belga/dpa/fs)
standaard/vkr - Bild: Anthony Dehez/BELGA