Lohndumping, Sozialdumping, Briefkastenfirmen: Begriffe, die insbesondere im Zusammenhang mit dem Transportsektor häufig fallen. Viele Probleme sind längst bekannt. Vor einiger Zeit haben die Ermittlungen gegen die ostbelgische Transportfirma Jost auch noch einmal den Finger auf einige dieser Wunden gelegt.
Die VRT hat jetzt in einer Reportage nochmal versucht, die Geschichte sozusagen von A bis Z zu erzählen - angefangen bei den LKW-Fahrern, die unter oft erbärmlichen Bedingungen arbeiten müssen. "Das ist mein Zuhause", sagt einer von ihnen, als er in seine Fahrerkabine klettert. Für zwei Monate wohne und arbeite er in seiner Kabine. Erst danach bekomme er ein bisschen "Heimaturlaub".
Diese Trucker hat jeder schon beobachten können. Sie "biwakieren" im wahrsten Sinne des Wortes auf Raststätten oder LKW-Parkplätzen. Das alles für ein Gehalt, das in ihren Ländern vielleicht noch attraktiv ist, hierzulande aber als "Hungerlohn" durchgehen würde. Diese osteuropäischen Fernfahrer bekommen ein Drittel, manchmal auch nur ein Viertel dessen, was ein belgischer Kollege bekäme, sagt Frank Moreels von der sozialistischen Gewerkschaft BTB/UBT. Resultat: Allein in den letzten vier Jahren sind im Transportsektor in Belgien rund 6.000 Arbeitsplätze verloren gegangen, mehr als zehn Prozent.
Der Grund liegt auf der Hand: Warum einen belgischen Trucker beschäftigen, wenn es einen vergleichbaren Fahrer in Osteuropa für einen Bruchteil der Lohnkosten gibt? Damit das rechtlich funktioniert, verlegen viele Transportfirmen ihren Hauptsitz in ein osteuropäisches Land. Oft ist das die Slowakei. Ein VRT-Journalist ist dorthin gereist, um sich das vor Ort anzuschauen.
Ein Bürogebäude, unter dessen Adresse eine Reihe von belgischen Transportfirmen ihren "Hauptsitz" angeben. Der Reporter steht vor einer langen Reihe von Briefkästen. Die Adressaten sind nach Alphabet geordnet: Es sind Dutzende belgische Transportunternehmen. Die Post, die in diesen Briefkästen landet, muss einer abholen.
SK Service kümmert sich um administrative Dinge
Um administrative Dinge in der Slowakei kümmert sich eine Firma namens SK Service. Das ist ein belgisches Unternehmen, Teilhaber ist ein gewisser Roland Peeters. Und dieser Mann, so sagt John Reynaert von der sozialistischen Gewerkschaft, sitzt im Aufsichtsrat des Verbands der belgischen Transportunternehmen, FEBETRA. Das sei doch ein seltsamer Zufall, sagt Reynaert: Ein FEBETRA-Aufsichtsratsmitglied hilft den Transportfirmen, ihren Sitz ins Ausland zu verlegen und damit die belgische Gesetzgebung zu umschiffen.
Bei der FEBETRA reagiert man hörbar kleinlaut auf die Info. Die Nebenaktivität von Roland Peeters, das sei bestimmt nicht das intelligenteste, was der Mann in seiner Laufbahn gemacht habe, sagte ein FEBETRA-Sprecher. Aber: Bis zum Beweis des Gegenteils sei ihm oder der Firma noch nichts Illegales nachgewiesen worden.
"Wir sind uns all dieser Probleme durchaus bewusst", sagte der OpenVLD-Staatssekretär Philippe De Backer in der VRT. Allerdings, so fügt er hinzu: Oft seien den belgischen Behörden da die Hände gebunden. Man habe schon die Kontrollen verschärft. Zugleich versuche man, auf EU-Ebene eine Korrektur der sogenannten "Entsenderichtlinie" herbeizuführen. Zusammen mit Frankreich, Deutschland und den beiden anderen Benelux-Staaten arbeite man an einem entsprechenden Vorschlag.
Es fehle auch ein EU-weites Register, das es ermöglichen würde, schneller als bisher die Betrüger zu entlarven, sagt De Backer. In all diesen Punkten warte man aber nicht auf einen EU-Beschluss, der ja im Grunde immer von einem oder mehreren Ländern blockiert werden kann, sagt De Backer. "Wir versuchen schon jetzt, bilaterale Abkommen mit osteuropäischen Ländern abzuschließen, um den Informationsaustausch effizienter zu machen."
Roger Pint - Illustrationsbild: Anthony Dehez/BELGA