Joëlle Milquet hat die Nase voll. Das Spektakel, das die frankophone Politikszene während der vergangenen Wochen geboten hat, hat ihr nicht gefallen. Spaltung und Aggressivität statt Einigkeit und konstruktiver Umgang miteinander. Oder um sie selbst zu Wort zu kommen zu lassen: "Ich habe die französischsprachige Politiklandschaft noch nie so gespalten gesehen. Ich habe noch nie solch aggressiven Wortgefechte miterlebt in einer Heftigkeit, die ich unakzeptabel finde."
Das Niveau der politischen Auseinandersetzung ist gerade ziemlich niedrig. Wo sind die Ideen? Wo sind die Projekte, fragt Milquet. Um die Situation zu verbessern, gibt es für die ehemalige CDH-Präsidentin nur einen Weg. Alle müssten sich jetzt mal wieder beruhigen. "Wir brauchen eine politische Waffenruhe", sagt Milquet. Alle sollten jetzt wieder mit der Arbeit beginnen, darauf schauen, dass die Einrichtungen funktionieren. Das sei im Sinne des Allgemeinwohls. Mit den gegenseitigen Anschuldigungen sollte jetzt endlich mal Schluss sein.
Situation akzeptieren, wie sie ist
Konkret sagt sie nicht, in welche Richtung regiert werden solle. Auch nicht, dass das Regieren einfach werde bei den unterschiedlichen Regierungskoalitionen, die es jetzt in der Wallonie, Region Brüssel und der Französischen Gemeinschaft gebe. Doch dass regiert werden müsse, steht für Milquet außer Frage. Politischen Stillstand in den kommenden 18 Monaten will sie nicht.
Um das zu verhindern müsse man jetzt die Situation akzeptieren, wie sie sei. Der Versuch ihrer eigenen Partei, der CDH, neue Koalitionen ohne die PS zu finden, sei augenscheinlich in Brüssel und der Französischen Gemeinschaft gescheitert. Das müsse man eben akzeptieren, ob man wolle, oder nicht. Halt einsehen, dass es für alternative Mehrheiten nicht gereicht habe.
Lutgens Paukenschlag ein Schlag ins Wasser?
Der Paukenschlag von Benoît Lutgen vom 19. Juni also ein Schlag ins Wasser? Eine missglückte Revolution? Etwas, was sie, Milquet, so nicht gemacht hätte? Dazu kein Kommentar von der 56-Jährigen. Sie habe sich immer an das Prinzip gehalten, die Entscheidungen ihrer Nachfolger nicht zu kommentieren. Das wolle sie auch beibehalten.
Milquet ist zurzeit ja Abgeordnete im Brüsseler Regionalparlament. Dorthin ist sie auf Wunsch ihrer Partei gegangen, wie sie am Dienstag in der RTBF nochmal betonte. Ihre Zukunft sieht sie dort aber nicht. Sie sei eine Politikerin, die sich in der föderalen oder europäischen Politik sehe.
Keine Kandidatur mehr bei Kommunalwahlen
Auch eine Kandidatur bei den Kommunalwahlen schließt sie aus. "Ich habe keine Lust, mich bei Wahlen aufstellen zu lassen und die Wähler glauben zu lassen, dass ich gerne Bürgermeisterin werden will, obwohl ich das gar nicht will. Ich werde mich eher auf ein Mandat auf föderaler oder europäischer Ebene bewerben. Oder mich anderen Projekten widmen", sagt Miliquet sagt.
Was sie mit anderen Projekten meint, ließ Milquet am Dienstag offen. Etwas Politisches auf jeden Fall. Eine andere Entscheidung dagegen hat Milquet bereits getroffen. Auch als Konsequenz der Diskussionen der vergangenen Wochen und Monate. Künftig werde sie auf Ämterhäufung verzichten und sich auf die Ausübung eines einzigen politischen Mandats beschränken.
Kay Wagner - Bild: Jasper Jacobs/Belga