Was wurde nicht alles versprochen... Der Taxshift sollte die Kaufkraft der Bürger erhöhen. Mittelfristig 100 Euro mehr sollten es sein, in jedem Portemonnaie, zumindest im Durchschnitt. Je nach Einkommen konnte der Steuervorteil schwanken: Wer wenig verdient, der sollte eigentlich unterm Strich durch den Taxshift bevorteilt werden.
"Hätte", "sollte", man ahnt es schon: Hier gibt es einen Haken. Zumindest auf ein Problem hat jetzt die Rentnervereinigung OKRA in der Zeitung Het Laatste Nieuws hingewiesen. "Es ist so", sagte Niek De Meester, Sprecher von OKRA, in der VRT, "tatsächlich bekommt eine Reihe von Rentnern mehr Geld, vordergründig, allerdings. Unterm Strich bleibt davon aber nicht sehr viel übrig."
"Brutto" und dem "Netto"
"Das ist die berühmte Geschichte mit dem "Brutto" und dem "Netto". Diverse Maßnahmen hätten dazu gefügt, dass die Bruttopensionen tatsächlich spürbar gestiegen seien, sagt De Meester. Dann allerdings kämen einige steuerliche Fallstricke zum Tragen, die dazu führten, dass von dem Aufschlag so gut wie nichts viel übrigbleibe. "Es gibt sogar Fälle, wo die Renten netto zurückgegangen sind."
Also, nochmal: Es gibt Leute, die brutto mehr bekommen, die aber am Ende weniger raus bekommen. Het Laatste Nieuws führt da ein ganz konkretes Beispiel an: Erna ist 70 Jahre alt. Im Vergleich zu 2016 bekommt sie in diesem Jahr 800 Euro mehr. Brutto, eben. Dann kommen eben besagte "steuerliche Fallstricke" ins Spiel. Resultat: Unterm Strich, netto also, bekommt Erna in diesem Jahr 56 Euro weniger. Richtig! Weniger.
Der "steuerliche Fallstrick" ist nicht zufällig gewählt, die genaue Erklärung für diese faktische Senkung der Rente liegt in einer fiskalrechtlichen Konstruktion verborgen, die sich offenbar nur Fachleuten erschließt. Erna ist da eher eine Ausnahme. Der Rentnerverband OKRA schätzt aber, dass rund 130.000 Pensionierte in der Situation sind, dass sie entweder so gut wie nichts hinzubekommen oder im schlimmsten Fall eben eine Kürzung in Kauf nehmen müssen.
130.000 Menschen, die also nicht belohnt, manchmal bestraft werden, das sind nicht wenige. Und, was die Sache noch ärgerlicher macht: Das Problem betrifft vor allem Menschen mit niedrigen Pensionen, zwischen 1.200 und 1.300 pro Monat.
Van Overtveldt: Korrektur soll kommen
"Wir sind uns des Problems bewusst", beschwichtigte aber der föderale Finanzminister Johan Van Overtveldt in der VRT. Es gebe tatsächlich eine - Zitat - "Anomalie" in der Steuergesetzgebung, die in seltenen Fällen zu dieser absurden Situation führe, man sei aber im Moment dabei, das zu korrigieren.
Der Verband OKRA will sich damit aber nicht zufrieden geben. "Wir sind doch viel zu oft die Dummen", beklagt sinngemäß Sprecher Niek De Meester. Punktuelle Korrekturen, die eine ganz bestimmte Fehlentwicklung geradebiegen, die lösten das Grundproblem nicht, das da lautet: Renter gucken oft genug in die Röhre, wenn es um die Erhöhung der Kaufkraft geht.
Streng genommen ist es nämlich so, dass der Taxshift nur die arbeitende Bevölkerung betraf. Die Maßnahmen, die zur Erhöhung der Bruttorenten geführt haben, die waren nur eine Art Ausgleich, den die Regierung den Pensionierten geben wollte. "Wir fühlen uns hier einfach nur benachteiligt", sagt Sprecher De Meester.
Auch hier verspricht Finanzminister Van Overtveldt aber Abhilfe. Die Regierung arbeite an einer allgemeinen Reform der Rentenbesteuerung, die vielleicht schon im Steuerjahr 2018 greifen könnte, sagt Van Overtveldt in Het Laatste Nieuws.
In der VRT fügt er aber noch eins hinzu: "Es gibt ein Problem, ja!" Aber, so sagt der N-VA-Politiker: Im Großen und Ganzen müsse man doch zugeben, dass der Taxshift unterm Strich eine gute Sache sei, und das auch für einen Großteil der Pensionierten.
Roger Pint - Foto: Siska Gremmelprez (belga)