Am heutigen 1. Juli übernimmt Belgien zum zwölften Mal turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft. Zum ersten Mal findet ein solcher halbjährlich wechselnder Ratsvorsitz der Europäischen Union aber nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages statt. Der regelt inzwischen das Funktionieren der Union mit ihren 27 Mitgliedstaaten. 118 Millionen Euro stehen als Budget für den EU-Vorsitz Belgiens zur Verfügung.
Mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags hat sich einiges geändert. Im institutionellen Bereich sorgt das Vertragswerk für klare Verhältnisse. Es gibt mit Herman Van Rompuy einen ständigen Vorsitzenden des Europäischen Rates, der alle Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs aus den 27 EU-Mitgliedsländern vorbereitet, anberaumt und leitet. Ebenfalls durch den Lissabon-Vertrag eingesetzt ist Catherine Ashton, die hohe Vertreterin, die die Außenpolitik der Union koordiniert.
Damit die Funktion dieser beiden neuen EU-Spitzenposten deutlicher wird, ist eines der Ziele der belgischen EU-Ratspräsidentschaft dann auch die strikte Umsetzung des Lissabon-Vertrags, erklärte der scheidende für Europafragen zuständige Staatssekretär Olivier Chastel im BRF-Interview.
Doch wenn man jetzt einen ständigen EU-Präsidenten hat, wozu dann noch eine sechsmonatige, rotierende, also abwechselnd von allen Mitgliedsländern wahrgenommene EU-Ratspräsidentschaft organisieren, kann man sich fragen. Nun, vor allem für den Vorsitz alle Ministerräte. Wenn in den kommenden sechs Monaten die 27 Umweltminister, Landwirtschafts-, Finanz- oder Verkehrsminister sich treffen, dann geschieht das unter belgischem Vorsitz.
Das bedeutet, dass die Tagesordnungen dieser Ministerräte vorbereitet werden müssen. Soll dieses oder jenes Thema auf die Tagesordnung, wo dieser Bereich doch bislang in den Gesprächen völlig blockiert ist, ist es nicht besser, ein anderes Aktenstück erst mit den Europaparlamentariern zu diskutieren, da diese Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht genießen. Solche und ähnliche Fragen wird sich der belgische EU-Ratsvorsitz stellen müssen.
Auch Diskussionen über EU-Richtlinien mit Ländern, die die eine oder andere EU-Gesetzgebung bislang ablehnen, stehen bei Belgiens Ratsvorsitz an, denn es gilt Kompromisse zu finden. Den Vorsitz führen und damit mit im Cockpit der EU sitzen bedeutet nämlich nicht, seinen Willen aufzwingen. Gute EU-Ratspräsidentschaften sind ständig auf der Suche nach Kompromissen und guten Beziehungen mit den anderen Mitgliedsstaaten. Eine der Prioritäten, der sich Belgien für die nächsten sechs Monate als Co-Pilot der EU verschrieben hat, ist just dieser Gesetzgebungsbereich.
Europäische Gesetzgebung sei wichtig, so Chastel, weil sie 75% der nationalen Gesetzgebung betrifft. Da man im vergangenen Jahr auf Grund der Neubesetzung des Europaparlaments und einer ebenfalls neu eingesetzten EU-Kommission in dem Bereich Rückstand angehäuft und dadurch einen enormen Nachholbedarf habe, werde sich die belgische EU-Ratspräsidentschaft zusammen mit dem Europaparlament um die Verabschiedung von EU-Gesetzen bemühen, die auf ihre Anwendung warten. Themen der Belgischen EU Ratspräsidentschaft sind aber auch der Klimaschutz, die Finanz- und Schuldenkrise, der Diplomatische Dienst der EU und die Erweiterung der Union.
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