Noch ist Borsus Föderalminister, doch schon bald könnte er als Politiker wieder auf die Regionalebene zurückkehren. Dort war Borsus bis 2014 zu Hause. Lange Jahre Bürgermeister der Gemeinde Somme-Leuze, zehn Jahre Abgeordneter im wallonischen Parlament, bis dann 2014 der Ruf von Charles Michel in die Föderalregierung kam. Dort war der Sohn einer Bauernfamilie für Landwirtschaft verantwortlich.
All diese Fakten lassen es glaubwürdig erscheinen, dass Borsus tatsächlich gerne wieder in die Regionalpolitik zurückkehrt. Er selbst sagt: "Ich habe sehr starke Wurzeln in der Wallonie, und ich habe mir angewöhnt zu sagen, man darf diese Wurzeln niemals schlecht behandeln. Ich komme jetzt zu ihnen zurück, bin ihnen näher als vorher."
"Der Wallonie geht es nicht gut"
Diese Rückkehr fällt Borsus wohl auch deshalb einfach, weil es aus seiner Sicht seiner Wallonie nicht gut geht. Prekär sei die Situation in vielen Teilen der Wallonie. Jeder vierte Wallone sei von Armut betroffen oder stehe kurz davor, in Armut abzurutschen. Die Jugendarbeitslosigkeit betrage in manchen Gebieten über 30 Prozent.
Allein diese Zahlen machten deutlich, dass es große Herausforderungen in der Wallonie gebe. Die wolle er jetzt angehen, sagte Borsus in der RTBF. Denn, so Borsus selbst: "Ich kann nicht damit zufrieden sein und werde niemals damit zufrieden sein können, dass unsere Region in ihrer Entwicklung anderen Regionen hinterher hinkt.
Motivation für seinen neuen Posten als Ministerpräsident scheint der MR-Politiker also genug zu haben. Doch die Aufgabe ist groß, die Zeit knapp. Borsus ist sich dessen durchaus bewusst: "Das Zeitfenster ist klein. Man spricht von 21 Monaten. Das erklärt auch den ganzen Ehrgeiz unserer Erklärung zur Regionalpolitik: So viele Vorhaben in so wenig Zeit. Sie werden das genauso sehen wie ich - das ist extrem ehrgeizig."
Die konkreten Maßnahmen, die er umsetzen möchte, orientieren sich an dem, was in der Erklärung zur Regionalpolitik von MR und CDH formuliert worden ist. Also Straffung der Strukturen, Entschlackung der Administration, Schaffung von Arbeitsplätzen, Abbau der Schulden. Das sei keine Politik des sozialen Kahlschlags, sondern vielmehr eine Politik die zum Ziel habe, mehr Effizienz zu erzeugen.
Mehr Effizienz
Denn darum gehe es ja doch, um mehr Effizienz. "Die Menschen", sagt Borsus, "lieben Einrichtungen und Strukturen nicht, weil sie Einrichtungen und Strukturen an sich mögen. Die Menschen brauchen Dienstleistungen, sie verlangen Hilfen, wollen Informationen erhalten. Deshalb wollen wir die öffentlichen Einrichtungen und Strukturen reformieren und leistungsfähiger als heute machen."
Dass es nicht leicht sein wird, die politischen Vorhaben umzusetzen, auch darüber ist sich Borsus bewusst. Eine knappe Mehrheit von nur einer Stimme im Parlament, dazu schon die ersten kritischen Stimmen zu politischen Plänen der neuen Koalition. Nein, er erwarte nicht, dass die Arbeit einfach werde.
Doch allem scheint Borsus mit einer gewissen Gelassenheit entgegen zu sehen, gestärkt vielleicht durch seine politische Erfahrung, und in der Überzeugung, das Richtige für seine Wallonie zu tun. Diesen Eindruck jedenfalls vermittelte er am Donnerstagmorgen in der RTBF.
"Jeder hat seinen Stil"
Und auch den Vergleich mit seinem charismatischen Vorgänger Paul Magnette sieht Borsus gelassen. Jeder habe seinen Stil, sagte Borsus: "Man kennt meinen Vorgänger, und ich möchte ihm persönlich auch meinen Respekt für seine Amtsführung aussprechen. Natürlich hatte er seinen Stil. Aber ich habe meinen."
kw/est - Foto: Benoit Doppagne/BELGA