Es war eine Schlagzeile mit Knaller-Potential. Eine neue Partei um Jean-Michel Javaux. Wow! Endlich bewegt sich mal was, wird sich vielleicht der eine oder andere gesagt haben. Und vielleicht war auch bei La Libre Belgique eher der Wunsch der Vater des Gedankens.
Es war wohl eben die Person Jean-Michel Javaux, die diesen Gedanken so spannend machte. Javaux war zehn Jahre lang Ecolo-Co-Präsident, er gehörte aber dem Realo-Flügel an. Javaux war nie ein grüner Hardliner - und auch kein Betonkopf. Vielmehr galt er immer als so eine Art Konsensfigur, ein Mann der Mitte. Javaux hatte zwar das Herz eher am linken Fleck, dafür aber immer noch keinerlei Berührungsängste der Wirtschaft gegenüber, wie sie ja Linke zuweilen haben können.
Also: Eine neue Partei um Jean-Michel Javaux, das wäre im politischen Mikrokosmos im südlichen Landesteil schon ein kleines Ereignis... Es gab auch schon einen Namen: E-Change, mit Bindestrich. "Change" ist also hervorgehoben: Veränderung; "échange" steht zudem für Austausch.
Informelle Gruppe
"Austausch", weil es eben darum gehe, reagierte am Mittwochmorgen eben dieser Jean-Michel Javaux in der RTBF. Darum und nur darum. Hier handele es sich um eine informelle Gruppe von Leuten, die aus den verschiedensten Richtungen kommen und die gemeinsam über politische und gesellschaftliche Themen nachdenken, um den Staat insgesamt besser zu machen.
Startpunkt war eigentlich ein offener Brief, den drei Unternehmer Mitte vergangenen Jahres veröffentlicht hatten. Unter anderem Ex-Postchef Johnny Thijs hatte mit seinen Mitstreitern eindringlich dafür plädiert, dass der Staat wieder effizienter werden müsse, dass man da auch über eine Rückübertragung von Zuständigkeiten an den Föderalstaat nachdenken müsse, eben damit gewisse Dinge wieder besser funktionieren... "Eben darüber wollen wir nachdenken", sagt Javaux. Das Ganze aber eben ganz bewusst, ohne eine politische Agenda zu haben. "Wir wollen uns eben austauschen, uns Gedanken machen über Lösungen für gesellschaftspolitische Herausforderungen, und das ohne Rücksicht auf Parteigrenzen und ohne Tabus."
Denkfabrik
Nennen wir es mal einen Thinktank, sagt Javaux, eine Denkfabrik. Und wenn man sich die Teilnehmer da so anschaut, dann wird tatsächlich ein breites Spektrum sichtbar. Auf der einen Seite Politiker: der Ex-CDH-Minister Melchior Wathelet Junior, die amtierende CDH-Gemeinschaftsministerin Alda Greoli. Aber auch ein Kollege von Défi, der Brüsseler Regionalminister Didier Gosuin. Dann aber auch Unternehmer wie Bruno Venanzi, Chef des Energieunternehmens Lampiris und Präsident von Standard Lüttich, oder auch Corinne Boulangier, die Direktorin des RTBF-Radiosenders La première.
"Die meisten dieser Leute tragen aber schon anderweitig politische Verantwortung bzw. haben überhaupt keine politischen Ambitionen", betont Jean-Michel Javaux. "Und seien wir mal ehrlich", sagt Javaux: "Wenn man wirklich eine politische Renaissance anstreben will, dann macht man das doch nicht mit Leuten, die über Jahre hinweg im alten System mitgedreht haben" - wie er, der zehn Jahre lang Parteichef war. Wenn es irgendwann eine politische Partei geben soll, die einen "Neuanfang" symbolisieren will, dann sei das Sache einer neuen Generation. Er jedenfalls, er habe überhaupt kein Problem mit seiner Partei - ganz im Gegenteil: Er sei ja im Übrigen auch weiterhin Bürgermeister der Gemeinde Amay.
Die Schlagzeilen von Mittwoch, die ärgerten ihn jedenfalls, sagt Javaux. "Wir wollen lediglich eine gesellschaftliche Überlegung. Da wird man dann aber gleich wieder in eine politische Ecke geschoben bzw. wird einem eine politische Agenda untergejubelt." Das werde am Ende wieder dafür sorgen, dass manche Leute sich eben nicht mehr in einem solchen Thinktank engagieren.. Also, damit das nochmal klar ist, sagt Javaux: Er wolle keine neue Partei gründen. "Im Moment", so fügt er hinzu, "haben wir ohnehin schon Chaos genug."
Roger Pint - Bild: Nicolas Lambert/BELGA
Ich hoffe, das nie ein "Heilsbringer" kommt, von dem man sich die Lösung aller Probleme verspricht. Leute, die darauf warten, sind keine verantwortungsbewussten Bürger, sondern Untertanen, die bereitwillig jeden Befehl einer Obrigkeit ausführen ohne selber zu überlegen. Die Geschichte hat doch oft genug gezeigt, dass Diktaturen in die Sackgasse führen. Die Demokratie in Belgien funktioniert doch. Dies hat doch die Aufdeckung der Skandale (Samusocial, Publifin etc) gezeigt. Das Tag für Tag in den Medien darüber berichtet wird, ist ein gesundes Zeichen. Zwingt die politisch Verantwortlichen zu Verbesserungen. In einer Diktatur wären die Skandale nie aufgedeckt worden. Da wären die Journalisten inhaftiert worden.