Ob Amazon, Zalando oder Lidl – alle großen und kleinen wichtigen Online-Marken haben ihre Logistikzentren in unseren Nachbarländern errichtet. Für Comeos gibt es dafür zwei Gründe: die höheren Lohnkosten und der Mangel bei der Flexibilität bezüglich der Nachtarbeit in Belgien.
Der Online-Handel hält sich nicht an Ladenschlusszeiten auf. Gerade der Sonntag ist bei Online-Shoppern sehr beliebt. Acht Millionen Transaktionen jeden Sonntag. Einer von zwei Einkäufen findet auf einer ausländischen Internetseite statt. "Eine beunruhigende Entwicklung", findet Dominique Michel, Chef des Einzelhandelsverbands Comeos, "im E-Commerce ist Nacht- und Sonntagsarbeit in Belgien verboten, in den Nachbarländern hingegen erlaubt. Die Folge: Die Kunden bestellen auf einer ausländischen Seite, wo ihr Auftrag sofort bearbeitet wird."
Comeos hat sich die Situation etwas genauer angesehen und festgestellt: In den letzten Jahren sind rings um Belgien herum 24 neue Logistikzentren gebaut worden – in Deutschland, Frankreich und vor allem in den Niederlanden. Geschaffene Arbeitsplätze: rund 15.000.
Die höhere Flexibilität bei Nacht- und Sonntagsarbeit sei für die Online-Händler sicherlich ein Grund gewesen, ihre Logistikzentren in unseren Nachbarländern zu bauen. "Ein anderer sind die Lohnkosten. Die liegen in den Niederlanden, Deutschland und Frankreich durchschnittlich 17 Prozent niedriger als in Belgien", sagt Dominique Michel.
Dabei hat sich schon einiges getan. Vor dem Tax-Shift der Regierung Michel betrug der Unterschied sogar 20 Prozent. Und was die Nachtarbeit angeht, ist diese möglich. Vorausgesetzt, alle Gewerkschaften des Unternehmens oder des Sektors stimmen zu. "Und daran scheitert es oft", sagt der flämische N-VA-Abgeordnete Werner Janssen.
Sein Vorwurf: Verschiedene Gewerkschaften würden - mit Befehlen von oben herab - solche Abkommen zur Nachtarbeit blockieren. Delphine Latawiec, Generalsekretärin der Christlichen Angestelltengewerkschaft CME-Handel ist prinzipiell überhaupt nicht gegen Nachtarbeit. Noch bevor es das neue Gesetz gab, habe man ihr unter Bedingungen zugestimmt. Das Problem sei nicht die Nachtarbeit, sondern, dass sie in einem korrekten Rahmen abläuft.
Der flämische SP.A-Abgeordnete Bruno Tobback sieht das ähnlich. Gerade der Niedriglohn-Sektor E-Commerce habe seine dunklen Seiten. Vor einigen Wochen waren beim Logistikunternehmen DHL unlautere Praktiken zu Tage gekommen: Tagesverträge, Unterbezahlung und so weiter. "Die Menschen müssen korrekt bezahlt werden und ein korrektes Statut erhalten. Wenn das der Fall ist, dann sehe ich auch kein Problem, dass die Gewerkschaften der Nachtarbeit zustimmen."
Comeos entgegnet: Es gehe nicht darum, die Arbeitnehmer auszubeuten, sondern das Arbeitspensum je nach Saison anzupassen, beispielsweise an die Sommerschlussverkäufe oder den "Black Friday". Es ginge lediglich um wenige Stunden pro Woche in besonders heißen Phasen, die anschließend wieder abgebaut werden können.
Stefaan Vercamer, CD&V-Föderalabgeordneter, findet die ganze Debatte etwas scheinheilig. Die belgischen Unternehmen hätten den Trend zum Online-Handel schlicht und ergreifend verpennt. Die höheren Lohnkosten blieben das große Manko. "Wenn man die Menschen fragt, flexibler zu arbeiten, dann ist das auch eine Kostenfrage. Einer größeren Flexibilität steht auch eine höhere Entlohnung gegenüber. Und damit steigen dann auch die Lohnkosten, und da gilt es anzusetzen."
Volker Krings - Foto Jonas Hamers/BELGA