Schon vor Beginn der Sitzung des Sozialausschusses machten neue Meldungen die Runde. Zunächst die Mitteilung der Brüsseler PS-Chefin Laurette Onkelinx. Sie kam noch einmal auf die Berichte flämischer Zeitungen vom Vortag zurück. Sie hatten aufgedeckt, dass Onkelinx Tochter zwischen 2011 und 2013 beim Samusocial beschäftigt gewesen war. Onkelinx bestätigte das erneut. Gleichzeitig bat sie darum, ihre Kinder aus der Schusslinie zu nehmen. Sie hätten nichts mit dem Skandal zu tun. In ihrer Mitteilung gab Onkelinx übrigens auch an, dass ihre beiden ältesten Söhne mal bei der Stadt Brüssel beschäftigt gewesen seien. Das sei aber Jahre her, sie hätten keine hohen Gehälter erhalten, das habe nichts mit Postengeschacher zu tun.
Dann folgte die zweite Meldung, diesmal eine Enthüllung der RTBF: Nicht erst seit 2008 hätten Yvan Mayeur, noch Bürgermeister von Brüssel, und Pascale Peraïta, bis 2013 Geschäftsführerin des Samusocial, hohe Gehälter vom Samusocial bekommen, sondern schon seit 2006. Insgesamt hätte jeder von beiden mehr als 110.000 Euro brutto in den vergangen Jahren vom Samusocial erhalten.
Zwei Drittel der Sitzungsgelder für Mayeur und Peraïta
Diese Zahlen wurden im Sozialausschuss danach nicht direkt bestätigt. Dafür machten die beiden Kommissarinnen der Regierung, die einen ersten Bericht zur Affäre verfasst hatten, deutlich: Mayeur und Peraïta haben viel höhere Summen an Sitzungsgeldern vom Samusocial erhalten, als andere.
"Es gibt keine Information dazu", sagte die Kommissarin, "warum die Sitzungsgelder beim Samusocial ungleichmäßig verteilt wurden unter den verschiedenen Mitgliedern des Aufsichtsrats. Aber es ist festzuhalten: Yvan Mayeur und Pascal Peraïta erhielten 2014 und 2015 zusammen zwei Drittel der gesamten Sitzungsgelder." Also einen dicken Batzen.
![Tina Martens und Sandrine Cnapelinxk, die beiden Kommissarinnen der Regierung, die einen ersten Bericht zur Affäre verfasst hatten, am Mittwoch bei der Sitzung des Sozialausschusses](http://brf.be/wp-content/uploads/2017/06/Samusocial_ThierryRogeBELGA-590x394.jpg)
Peraïta wurde 2001 entlassen und wieder eingestellt
Im Verlauf des Tages gab es weitere Enthüllungen. Die Zeitung La Libre Belgique berichtete, dass Pascale Peraïta 2001 beim Samusocial entlassen worden sei. Auch damals ging es schon um Geld. Im Winter 2001 hatte Pascale Peraïta, damals schon Direktorin des Samusocial, Geld von einer Synagoge erhalten. Das hatte sie an Mitarbeiter des Samusocial als Prämie verteilt, ohne das zu deklarieren. Auch den Erhalt der der Spende hatte sie nirgendwo vermerkt.
Der Verwaltungsrat sah darin eine Rechtswidrigkeit und warf ihr schweres Fehlverhalten vor. In einer Abstimmung sprach er sich für die Entlassung Peraïtas.
Als diese dann durch ihren Anwalt die Schlüssel und ihr Handy an das Samusocial zurückbringen ließ, folgte eine weitere Überraschung. Der Anwalt brachte auch eine Summe zwischen 1.500 und 2.000 Euro mit. Das Geld gehörte auch noch zu der Spende, die Peraïta von der Synagoge erhalten hatte. Die Existenz dieses Geldes, das sie sich in die eigene Tasche gesteckt hatte, hatte sie bis dahin verschwiegen.
Trotz dieser Affäre wurde Peraïta wenige Wochen später wieder als Direktorin beim Samusocial eingestellt. Eine Umstrukturierung des Vereins machte das möglich. Yvan Mayeur, der damals Leiter des Brüsseler Sozialhilfezentrums war, hatte sich übrigens von Anfang an gegen die Entlassung seiner Lebensgefährtin ausgesprochen.
Schulden beim Brüsseler Sozialhilfezentrum
La Libre Belgique berichtete am Mittwoch auch, dass sich die Schulden der Voe Samusocial beim Brüsseler Sozialhilfezentrum auf über 2,2 Millionen Euro belaufen sollen. Viele Ausgaben, die zu den Schulden geführt hätten, seien nicht nachzuvollziehen.
Bei der Diskussion im Sozialausschuss kam schließlich heraus, dass das Verhältnis zwischen der Brüsseler Regionalregierung und der Leitung des Samusocial zumindest angespannt war. Die Leitung des Samusocial habe sich daran gestört, dass die Region mehr Kontrolle über die Voe verlangt habe.
Der Untersuchungsausschuss, der kommende Woche eingerichtet werden soll, hat also einiges zu tun, und wer weiß, was bis dahin noch alles ans Licht kommt. Für den Ecolo-Abgeordneten Alain Maron muss der Untersuchungsausschuss dann auf jeden Fall die Frage klären, wie es zu der bewusst organisierten Undurchsichtigkeit des Systems beim Samusocial kommen konnte, wie er wörtlich gegenüber der RTBF sagte. Diese Frage müsse allen Betroffenen gestellt werden.
Kay Wagner - Bilder: Bruno Fahy/Thierry Roge/BELGA
Nach all diesen Skandalen hoffe ich, dass es bei den Wahlen in 2018 und 2019 so kommen wird wie in Frankreich, dass die etablierten Parteien mit einem Wisch hinweg gefegt werden und auf dem Kehrichthaufen der Geschichte landen, wo sie dann Mal nachdenken können über ihre Missstände.
Mayeur und Konsorten sollten jetzt Charakter zeigen und sich öffentlich entschuldigen. Das ist das wenigste, das man verlangen kann.