Ein Hauch von Publifin weht durch die Hauptstadt. Im Fokus steht hier die VoE Samusocial. Und auch hier geht's um überhöhte Sitzungsgelder.
Naja, Sitzungsgelder, das dachte man bislang...
Im Raum stand bis Dienstag eine eher harmlose Zahl: 140 Euro pro Sitzung. Dieser Tarif galt für die Mitglieder der Führungsgremien der Vereinigung, insbesondere für das so genannte "Büro", also die engere Führungsriege. 140 Euro pro Sitzung, im Grunde eher Durchschnitt, könnte man meinen. Allerdings wurden bis zu zehn Sitzungen pro Monat in Rechnung gestellt, was den Mitgliedern dieses "Büros" einen Nebenverdienst von mal eben 1.400 Euro brutto pro Monat beschert. Diese Zahl hatte Pascale Peraïta auch im Interview mit der Zeitung Le Soir bestätigt.
Die PS-Politikerin ist nicht nur Vorsitzende des Brüsseler Sozialhilfezentrums, sie war bis vor Kurzem auch Chefin des Samusocial. In besagtem Interview gab sie an, dass diese Regel nur für zehn Monate gegolten habe, die Urlaubszeit also ausgenommen. Am Dienstag waren es auf einmal doch zwölf Monate. Also: nicht 14.000, sondern 16.800 Euro pro Jahr.
Ein erster "Widerspruch", ums mal diplomatisch auszudrücken. Fragen gab's also genug. Entsprechend angespannt war auch die Atmosphäre am Dienstagabend bei der Stadtratssitzung im Brüsseler Rathaus.
Pauschalvergütung
Zehn Sitzungen pro Monat, und das in allen zwölf Monaten? Na, wenn die mal alle stattgefunden haben, dachte sich so mancher in der Opposition, und einige sprachen den Verdacht auch offen aus: Es müsse geprüft werden, ob all diese Versammlungen auch wirklich stattgefunden haben. Und sollte sich zeigen, dass dem nicht so ist, dann sei es ja wohl klar, dass die Sitzungsgelder zurückbezahlt werden müssten, sagte die CD&V Stadtverordnete Bianca Debaets.
Dann kam der mit Spannung erwartete Auftritt von Pascale Peraïta. Die sprach dann allerdings zur allgemeinen Überraschung nicht mehr von "Sitzungsgeldern". Vielmehr bekämen die Mitglieder des "Büros" seit November 2015 eine Pauschalvergütung. Das alles im Sinne der Effizienz, sagte Peraïta. Sinn und Zweck sei allein, dass die VoE schnell reagieren und dass das möglichst unbürokratisch ablaufen könne.
Dennoch: "Pauschalvergütung", bei dem Wort ist dem einen oder anderen Oppositionspolitiker wohl die Kinnlade heruntergefallen. Also, wenn sie das höre, noch dazu so arrogant vorgetragen, dann sei sie doch etwas perplex, sagte die CDH-Politikerin Joëlle Milquet. "Also, wenn man Sie so hört", wendet sich Milquet an Peraïta, "dann müsse man den Eindruck haben, dass nicht Sie falsch liegen, sondern alle anderen."
Pascale Peraïta gab sich unbeeindruckt. Erstens, so sagte die PS-Politikerin: Das hier sei kein reiner Akt der Nächstenliebe. Es sei nicht, weil es sich beim Samusocial um eine humanitäre Vereinigung handelt, dass man nicht für die Arbeit entlohnt werden müsse. Zweitens: die VoE Samusocial sei eine private Einrichtung. Entsprechend seien die Posten in den Fährungsgremien keine politischen Mandate. Und drittens: Die fraglichen Bezüge würden aus den Eigenmitteln der VoE finanziert, also nicht über die Zuschüsse der Öffentlichen Hand und auch nicht aus den Spendengeldern.
Untersuchungsausschuss
"Rein juristisch betrachtet mag das ja alles sein!", tönte es aus der Opposition. Aber, die Verantwortlichen müssten doch einsehen, dass eine Vereinigung wie das Samusocial in aller Transparenz agieren müsse. Das im eigenen Interesse, sagte Fabian Maingain von DéFI, eben damit die bestimmt wichtige Arbeit der Vereinigung nicht in ein schlechtes Licht gerückt werde.
Fakt ist aber, so beklagte Catherine Lemaire von Ecolo, Fakt ist, dass viele Fragen unbeantwortet geblieben seien. Insofern scheine sich die Mehrheit noch nicht über den Ernst der Lage bewusst zu sein. "Mehrheit", damit ist im Übrigen auch der Brüsseler PS-Bürgermeister Yvan Mayeur gemeint, der ebenfalls in den Genuss der fraglichen Bezüge gekommen ist.
Die Affäre soll nun politisch aufgearbeitet werden. Einstimmig hat das Büro des Brüsseler Regionalparlamentes die Einsetzung einer Untersuchungskommission beschlossen. Die Schaffung eines Untersuchungsausschusses war zuvor von Ecolo gefordert worden. Und auch die frankophonen Liberalen im Brüsseler Parlament hatten die Regionalregierung aufgefordert, einen Sonderkommissar zur Untersuchung der Aktivitäten der Vereinigung einzusetzen.
Die flämischen Sozialisten haben sogar angedroht, aus dem Brüsseler Bürgermeister- und Schöffenkollegium auszusteigen. Zuvor will deren Fraktionsführer John Crombez aber die Ergebnisse der Untersuchung abwarten, die die Brüsseler Regionalregierung eingeleitet hat.
belga/rop/sh/rkr - Bild: Nicolas Lambert/BELGA
Warum auch nicht. Wenn man anderen Gutes tut, soll man es auch selbst gut haben. Und solange die Kuh still hält, kann man sie auch melken.