Am Montagabend ist in Gent der Verwaltungsrat des flämischen Judoverbandes zu einer dringenden Sondersitzung zusammengekommen. Ein Top-Coach wird sexueller Übergriffe beschuldigt. Die beiden Ex-Judokas Ann Simons und Niki Heylen hatten den Ball ins Rollen gebracht und ihre Geschichten in den Medien erzählt.
Auf der Sondersitzung finden einige im Vorstand, dass Trainer D. B. nicht mehr länger tragbar sei. Doch Vorstandsmitglied Jacques Martens denkt anders. Er überzeugt den jungen und unerfahrenen Präsidenten Kristof Van de Putte davon, am Trainer festzuhalten. Beobachter vermuten, um seine eigene Haut zu retten: Martens war bis April 2016 selbst Vorsitzender des Judoverbands. Viele Vorfälle fanden auch während seiner Zeit satt.
Was folgte, war eine Welle weiterer Anschuldigungen, unter anderem von einem 13-jährigen Mädchen am Dienstag im flämischen Sender VRT. Der Trainer sei in die Umkleidekammer gekommen und habe versucht sie zu küssen. Ein Zungenkuss. Das sei nicht normal bei einem Kind von 13 Jahren und das von einem 29-jährigen Mann.
D. B. gießt ÖL ins Feuer und dementiert die Anschuldigungen. Weitere mutmaßliche Opfer kommen nach und nach zum Vorschein. Der Judoverband steht unter Beschuss. Dann eine erneute Sitzung und anschließend eine Entscheidung: Besagter Trainer darf auf unbestimmte Zeit kein Training mehr geben und muss alle Dossiers übertragen.
Präsident Van de Putte: "Erstens wird D. B. suspendiert, damit in Ruhe ermittelt werden kann. Zweitens wird eine unabhängige Kommission eingerichtet. Die soll den gesamten Judosport in Flandern unter die Lupe nehmen."
Der Verband wird kritisiert, so lange mit einer Entscheidung gewartet zu haben. Kristof Van de Putte erklärt, die Sache sei komplex, man habe alles genau besprochen und untersucht, bevor man eine Entscheidung getroffen habe. Ob allerdings der Verband am Mittwoch so viel mehr wusste als am Dienstag, bezweifeln viele.
Wurde der Druck in den Medien doch zu groß? Oder kam der auch von oben? Flanderns Sportminister Philippe Muyters (N-VA) sagte am Mittwochabend in der VRT: "Als die ersten Zeugenaussagen kamen, habe ich Kontakt mit dem Verband aufgenommen und gefragt, was dieser tun könne, und darum gebeten, entsprechende Vorschläge zu machen. Diese gingen mir aber nicht weit genug. Als sich dann noch weitere Opfer meldeten, habe ich erneut den Verband kontaktiert. Der sollte bis gestern Mittag eine Entscheidung treffen."
Was hier so diplomatisch klingt, war wohl allem Anschein nach nicht ganz so freundlich. Laut der Tageszeitung De Morgen hat es ein Ultimatum gegeben: Entweder bis 12 Uhr mittags gibt es ein deutliches Signal oder Flandern dreht dem Judoverband den Geldhahn zu.
"Ja, es hätte alles viel schneller gehen können", sagt Philippe Muyters. Wichtiger seien aber jetzt Lösungen, schnell und zwar für alle Sportarten, nicht nur im Judo. Der Judoverband habe die Aussagen zur Kenntnis genommen und handele.
Opfer von sexuellem Missbrauch oder unangemessenem Verhaltens können sich in Zukunft an die geplante unabhängige Ethikkommission wenden. Für Präsident Van de Putte ist wichtig, dass man die Probleme löst. "Man muss den Sportlern und ihren Eltern signalisieren, dass man die Probleme ernstnimmt und das so etwas nicht passieren darf."
vk/jp - Bild: Dirk Waem