Frédéric Van Leeuw ist um seinen Job nicht immer zu beneiden. Der 43-Jährige ist der föderale Prokurator und damit oberster Anti-Terror-Staatsanwalt. In regelmäßigen Abständen wird der darum gebeten, eine Zwischenbilanz seiner Arbeit zu ziehen. So auch am Mittwoch in der RTBF.
Der Journalist wählt gleich den direkten Weg zum Tor: Wie viele Terroranschläge wurden in den letzten zwölf Monaten vereitelt, wird der Föderalprokurator gefragt. Der weicht naturgemäß aus. "Naja, darüber reden wir eigentlich nicht", sagt Frédéric Van Leeuw. Aber soviel könne er sagen: Die Dienste arbeiten permanent und es habe auch einige Interventionen gegeben, wodurch womöglich eine Eskalation vermieden werden konnte.
Er rede nicht nur um den heißen Brei herum, um um den heißen Brei herumzureden, sagt der Föderalprokurator. Manchmal sei es einfach schwierig, mit Bestimmtheit zu sagen, dass ein Anschlag verhindert wurde. Einfach, weil die Dienste meist so früh eingreifen, dass die entsprechenden Vorbereitungen noch nicht weit genug fortgeschritten waren.
Problem Presselecks
Und dann gab's natürlich die Wahl in Frankreich, die noch einmal für zusätzliche Unruhe gesorgt hat. Die Behörden im südlichen Nachbarland waren in erhöhter Alarmbereitschaft, die Sicherheitsvorkehrungen gerade am vergangenen Sonntag waren doch schon ziemlich extrem. "Und, klar, das hat dazu geführt, dass wir noch regeren Kontakt mit den französischen Kollegen hatten, als das ohnehin schon der Fall ist", sagte Föderalprokurator Frédéric Van Leeuw.
In diesem Zusammenhang gab's aber auch wieder ein Presseleck. In sozialen Netzwerken kursierte Ende letzter Woche ein interner Fahndungsaufruf: Drei Männer wurden dringend gesucht. Und das, wie es ausdrücklich heißt, wegen eines möglicherweise unmittelbar bevorstehenden Anschlags. Unter den drei Gesuchten waren zwei Belgier, einer aus Antwerpen und einer aus Verviers. Der dritte Mann ist Afghane. Die Suchmeldung ist über offizielle Kanäle nie verbreitet worden, bis heute nicht.
Und dafür gebe es auch triftige Gründe, sagt Föderalprokurator Frédéric Van Leeuw. "Wenn wir wollen, dass ein Fahndungsaufruf öffentlich wird, dann sorgen wir schon selbst dafür." Bei Presselecks laufe man hingegen Gefahr, dass kapitale Informationen zu früh ans Licht kommen und die Ermittlungen dadurch gestört werden.
Dass Ermittlungen durch Presselecks gestört wurden, das sei noch im Vorfeld der Anschläge vom 22. März passiert, betont Frédéric Van Leeuw. Er meint damit wohl die Meldung, die besagte, dass die Fingerabdrücke von Salah Abdeslam in einer konspirativen Wohnung in Forest gefunden worden seien. Das hatte seinerzeit dazu geführt, dass die Festnahmen von Salah Abdeslam vorgezogen werden musste und im Endeffekt genau zu dem Zeitpunkt abgelaufen ist, wo viele Schulkinder unterwegs waren.
Nicht nur repressiver, sondern präventiver Ansatz
Wie dem auch sei: All diese Ereignisse sind ja in den letzten Wochen und Monaten durch den parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Kammer unter die Lupe genommen worden. Die Kommission soll in Kürze erste Schlussfolgerungen vorlegen.
"Wir brauchen nicht nur einen repressiven Ansatz", mahnt aber Frédéric Van Leeuw. Es werde nicht reichen die Polizei und Justizbehörden weiter zu verstärken. Zugleich brauche man auch nach wie vor den präventiven Ansatz, Leute, die mit den jungen Menschen sprechen, sich mit ihnen auseinander setzen. "Diese Menschen, die auf dem Terrain arbeiten, vereiteln so vielleicht mindestens genau so viele Anschläge wie die Justizbehörden", sagt Föderalprokurator Frédéric Van Leeuw.
Roger Pint - Archivbild: Laurie Dieffembacq/BELGA