Es war abzusehen, dass das Gesetz verabschiedet würde. Die N-VA hatte es eingebracht, und schnell wurde es zu einem Lieblingskind der Koalition. Zumal es auch Beschwerden der föderalen Staatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft aus Brüssel gab: In den vergangenen zwei Jahren hätten Sozialarbeiter bei Ermittlungen gegen Terrorverdächtige die Aussage verweigert, mit Verweis auf ihre berufliche Schweigepflicht. So berichtet es die Nachrichtenagentur Belga.
Luc Vandormael, Präsident des Verbands der Öffentlichen Sozialhilfezentren der Wallonie, stellt das etwas anders dar. Einen einzigen solchen Fall habe es gegeben, sagte er am Freitagmorgen in der RTBF. Und der Fall sei darüber hinaus umstritten.
Durch das Gesetz sieht er die Sozialarbeiter einem Generalverdacht ausgesetzt: Nämlich: terroristische Aktivitäten zu decken. Das sei aber mitnichten der Fall. Die Sozialarbeiter hätten durchaus Verantwortungsgefühl. Es sei allerdings ein gewisser politischer Wille zu erkennen, den öffentlichen Sozialdienst schlecht darzustellen. Nämlich als Dienst, in dem nur Leute arbeiten, die alles nicht so genau nehmen, Steuergelder verschwenden und Terroristen beschützen würden.
Sozialarbeiter protestierten vor Kammer
Kernpunkt der Kritik der Sozialarbeiter ist die Verpflichtung, durch das neue Gesetz gezwungen zu werden, möglicherweise ihre Schweigepflicht brechen zu müssen. Vor der Abstimmung am Donnerstag protestierten Sozialarbeiter vor der Kammer. Sie trugen T-Shirts mit der Aufschrift "Le silence a un sens - Schweigen macht Sinn". Denn nur wenn die betreuten Personen sicher sein könnten, dass das, was sie ihrem Sozialarbeiter anvertrauten, nicht weitererzählt wird, würden sie sich öffnen, sei der Zugang zu ihnen möglich.
So sieht das auch Verbandspräsident Vandormael. Das neue Gesetz gefährde dieses Vertrauensverhältnis, das aber elementar sei für eine erfolgreiche Sozialarbeit. Außerdem finde er, dass das neue Gesetz sehr vage sei und zusätzliche Rechtsunsicherheit erzeuge.
Mit der zusätzlichen Rechtsunsicherheit meint er sowohl disziplinarische als auch praktische Dinge. Der einzelne Sozialarbeiter sei gar nicht so einfach zur Verantwortung zu ziehen für sein Handeln. Das seien laut Statuten der Sozialhilfezentren zunächst die Vorgesetzten. Außerdem sei nicht klar, welche Strafen fällig werden, wenn ein Sozialarbeiter nicht über Vorbereitungen zu terroristischen Anschlägen berichten sollte.
Noch weniger Menschen bei den Sozialhilfezentren
Er wolle aber auch nicht falsch verstanden werden: Die Absicht, Terroranschläge vermeiden zu wollen, sei natürlich gut. Aber die Maßnahme, das Gesetz, sei trotzdem falsch. Und berge noch eine andere Gefahr: Es könnte sein, dass sich künftig noch weniger Menschen bei den Sozialhilfezentren melden. Diesen Trend gebe es jetzt schon. Und was machen die Leute dann? Sie verschwinden vom Radar der Sozialhilfezentren, würden abtauchen. Das sei auch eine große Gefahr, eine Quelle von Kriminalität, meint Luc Vandormael.
Ob sein Verband tatsächlich Klage gegen das neue Gesetz einreichen wird, soll erst noch geprüft werden. Mehrere Anwälte hätten sich aber schon bei den Verbänden der Sozialhilfezentren gemeldet, um ihre Unterstützung anzubieten. Einige sogar ohne Honorarforderung.
Kay Wagner - Foto: Virgnie Lefour