Claude Guéant ist zweifellos ein "harter Hund", einer, der das Geschäft in- und auswendig kennt. Lange Zeit war er die rechte Hand des späteren französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, war sogar dessen Wahlkampfleiter. Als Sarkozy in den Elysee-Palast einzog, wurde Guéant Generalsekretär in der Präsidialverwaltung. Man nannte ihn seinerzeit den "Präsidentenflüsterer", auch liebevoll schonmal den "Kardinal", in Anspielung auf Richelieu. Kein Zweifel: Der Mann war in der Sarkozy-Ära eine Schlüsselfigur.
Eben in diese Zeit fällt die Kasachgate-Affäre, die - grob zusammengefasst - so aussieht: Im Frühjahr 2011 verabschiedet die Kammer holterdiepolter ein Gesetz, das einen gerichtlichen Vergleich möglich macht. Als erste profitieren davon drei Geschäftsleute um den Belgo-Usbeken Patokh Chodiew. Der ist ein enger Freund des kasachischen Präsidenten Naserbajew.
Hier kommt Frankreich ins Spiel: Paris will mit Kasachstan Geschäfte machen. Die Regierung in Astana verweist darauf, dass die drei Geschäftsleute in Belgien Ärger mit der Justiz haben. Und daraus ergibt sich der unheimliche Verdacht, dass Frankreich hinter den Kulissen dafür gesorgt hat, dass das Gesetz über den staatsanwaltschaftlichen Vergleich zustande kommt. "Das wäre eine Staatsaffäre, nein, das IST eine Staatsaffäre", sagte am Mittwochmorgen in der RTBF noch der Vorsitzende des Kasachgate-Untersuchungsausschusses, Dirk Van der Maelen. "Wir stehen kurz davor, beweisen zu können, dass Frankreich dafür gesorgt hat, dass besagtes Gesetz zustande kommt."
"Na, wenn das mal keine Vorverurteilung ist", wird sich der Gast aus Paris wohl gedacht haben, als er im Untersuchungsausschuss Platz nahm. Aber: Wer, wie Claude Guéant, jahrelang im Haifischbecken der französischen Politik herumgeschwommen ist, wer es, wie er, sogar zum französischen Innenminister gebracht hat, den bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Souverän parierte er die zum Teil bissigen Fragen der belgischen Parlamentarier.
Auf der einen Seite gab er sich kategorisch: Frankreich habe mit dem Zustandekommen des fraglichen Gesetzes nichts zu tun. Punkt. Auf der anderen Seite gab sich Claude Guéant dann aber auch wieder fast schon entwaffnend ehrlich, zynisch wäre vielleicht treffender. "Klar, natürlich war uns das Gesetz von Nutzen", sagte Guéant. "Denn, ja, der kasachische Präsident Naserbajew hatte uns zu verstehen gegeben, dass es im Sinne der beiderseitigen Handelsbeziehungen besser wäre, wenn die gerichtlichen Ermittlungen in Belgien gegen drei Geschäftsleute um Patokh Chodiew eingestellt würden."
Ist das jetzt eine "smoking gun", wie der Angelsachse sagt? Ein schlagender Beweis? "Nö", erwidert Claude Guéant mit gleichbleibender Ruhe. Man kann ein Interesse an einer Sache haben, ohne sie dafür herbeigeführt haben zu müssen. Frankreich habe lediglich einen Anwalt empfohlen, der den drei Geschäftsleuten helfen sollte - das war Catherine Degoul. Die zu empfehlen, sei doch in keiner Weise eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates, sagte Guéant.
"Jetzt machen wir uns aber mal nichts weis", reagierte der OpenVLD-Abgeordnete Vincent Van Quickenborne. "Glauben Sie wirklich, dass ein Mann wie Patokh Chodiew jemanden braucht, der ihm einen Anwalt empfiehlt?" "Nun", so antwortet Guéant. "Mag sein. Wir wollten nur unseren Beitrag leisten, dass die kasachische Seite zufrieden ist."
Und Armand De Decker? Der ehemalige Senatspräsident soll ja in Belgien die wichtigen Türen geöffnet haben. Den habe er ein Mal gesehen, sagte Guéant. Soweit er wisse, sei der Herr De Decker ein Mitglied im Team von Frau Degoul gewesen. Generell könne er sagen, dass alles über die Anwältin Catherine Degoul gelaufen sei, die allein die Interessen der drei Geschäftsleute vertreten habe. Politische Kontakte mit belgischen Kollegen, die habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben - auch nicht mit Didier Reynders. Seines Wissens nach sei der Name Reynders in der Akte nie gefallen.
Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses haben Claude Guéant eigentlich nie zu packen bekommen. Der Mann aus dem Pariser Haifischbecken, er muss den Belgiern wohl wie ein Aal vorgekommen sein. Ob er sie auch überzeugt hat, das steht auf einem anderen Blatt.
Roger Pint - Bild: Benoit Doppagne/BELGA