Wellen und Wind - hier, irgendwo vor der belgischen Küste, entstehen seit einigen Jahren beeindruckende Bauten: Offshore-Windparks, riesige Windkraftanlagen, die den erneuerbaren Strom erzeugen sollen, den unsere Gesellschaften so dringend brauchen.
Das, was oft wie eine schöne Zukunftsvision klingt, ist allerdings mit einem erheblichen technischen Aufwand verbunden. Nicht nur, dass man diese enormen Windmühlen erstmal bauen muss. Das alleine reicht nämlich nicht. Man muss auch dafür sorgen, dass der Strom irgendwie aufs Festland kommt. Negativbeispiele, etwa aus Deutschland, zeigen, was passiert, wenn man das eine ohne das andere plant: Dann flappen die Windräder nämlich umsonst auf hoher See herum.
An und vor der Küste ist denn auch im Moment richtig viel los. In der Nähe von Seebrügge etwa wird gerade ein riesiger Strom-Knotenpunkt gebaut, der die Windenergie von den Offshore-Parks quasi in Empfang nimmt und ins belgische Netz einspeist. Außerdem sei ja auch noch eine Überseeverbindung mit Großbritannien geplant, die auch in dieser Konverterstation ankommen werde, sagte Kathleen Iwens von Elia in der VRT. Dieses Projekt trägt den Namen "Stevin" und ist nur ein Teil eines Masterplans, der die Erschließung der Offshore-Energie ermöglichen soll.
Elia, der Betreiber der belgischen Hochspannungsleitungen, nimmt jetzt nochmal 400 Millionen Euro in die Hand, um die Stromtrasse sozusagen bis zur Quelle weiterzuführen. Konkret: Es wird eine Plattform gebaut, draußen, auf hoher See, 40 Kilometer vor Seebrügge. Im Wesentlichen werde das so etwas wie eine Verteilerdose: Künftige, noch zu bauende Windparks, könnten sich auf dieser Umspannplattform quasi einstöpseln, sagt Marleen Vanhecke von Elia - und dann transportiere Elia den Strom über drei Untersee-Kabel an Land.
Diese, so genannte Umspannplattform, habe einen großen Vorteil, sagt Marleen Vanhecke: Dann müsse nicht mehr jeder Windpark seine Leitung in Richtung Festland ziehen, man bündele die Energie schon draußen vor der Küste. So vermeidet man, dass der Meeresgrund irgendwann aussieht wie ein Haufen Spaghetti. Abgesehen davon, dass das besser für die Umwelt ist, ist das auch kostengünstiger. Für die Windpark-Betreiber bedeute das nämlich konkret, dass ihre Leitungen jeweils um 40 Kilometer kürzer werden.
Diese drei Unterseekabel, die kommen dann eben in der Stevin-Station an, von wo aus der Strom dann weiter Richtung Inland transportiert wird. Dafür wird auch im Hinterland ziemlich viel Erde bewegt; besser gesagt: durchstoßen. Weil das Gebiet ziemlich dicht besiedelt ist, wird die Stromautobahn nämlich über eine Strecke von zehn Kilometern unterirdisch verlegt. Genau gesagt verlaufe die Hochspannungsleitung unter dem Baudouin-Kanal zwischen Seebrügge und Brügge, sagt Sprecherin Kathleen Iwens. Ab Brügge wird die Leitung dann über Land weitergeführt. Dafür müssen auch die bestehenden Trassen aufgestockt bzw. modernisiert werden.
Doch beamen wir uns nochmal zurück vor die Küste. Die Umspannplattform soll im zweiten Halbjahr 2019 fertiggestellt werden. Dann kann der Strom also fließen. Geplant sind Windparks mit einer Gesamtkapazität von rund 1.000 Megawatt. Das entspricht in etwa der Leistung eines Kernreaktors.
Die geplante Plattform könnte in Zukunft auch Strom von Gezeitenkraftwerken aus Skandinavien aufnehmen, also in dem Moment, wo der Wind nicht ausreichend wäre. Insofern ist das Bild einer "Abzweigdose auf hoher See" wohl nicht so falsch. Das Ganze wird irgendwann mal Teil des geplanten North Sea Offshore Grids sein, eines Stromnetzes in der Nordsee.
Roger Pint - Bild: Denis Closon/BELGA