Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung, so steht es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Laut Umfrage der VRT nehmen manche Menschen diese Aussage aber zu ernst. Frei nach dem Gedanken, das Recht des Einen beginnt da, wo das des Anderen aufhört, gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht, wenn der Ruf eines Anderen dadurch geschädigt wird. Wenn also zum Beispiel der Bäckerlehrling nach einer Auseinandersetzung mit dem Meister auf Facebook schreibt "Unsere Pistolets sind schlecht", ist das ein Kündigungsgrund.
"Es ist immer eine Frage der Öffentlichkeit", erklärt der ehemalige Vorsitzende der Anwaltskammer Eupen, Didier Cremer. "Wenn wir beide uns über unseren Arbeitgeber unterhalten, kann ich natürlich sagen, dass ich meinen nicht so toll finde. Das ist freie Meinungsäußerung. Wenn ich mich aber auf den Marktplatz stelle und dort laut verkünde, dass mein Arbeitgeber ein menschliches Schwein ist, dann ist das ein Problem."
Mehr als 160 Kündigungen in Flandern
Gesunder Menschenverstand, sollte man meinen. Laut VRT gab es aber in Flandern in den letzten fünf Jahren aber mehr als 160 Fälle, in denen Äußerungen im Netz zu einer Kündigung geführt haben. So wird ein Fall zitiert, in dem eine Mitarbeiterin entlassen wurde, nachdem sie auf einem Block über ihr Burn-out geschrieben hatte. Wegen unkollegialem Verhalten habe man sie entlassen, erzählt sie. Ein ziemlicher Grenzfall, denn die Angaben zum Arbeitgeber in ihrem Block waren anonymisiert.
Laut Didier Cremer reicht das aber nicht unbedingt, denn auch die Angaben zum Arbeitnehmer müssen anonymisiert sein, sonst könnten Bekannte auch ohne Nennung des Unternehmens Rückschlüsse ziehen. Wo genau die Grenze ist, liegt im Streitfall im Ermessen des Gerichts. Deshalb hat der flämische Mittelstandsverband Unizo jetzt sechs goldene Regeln aufgestellt, die als Verhaltensleitfaden für Mitarbeiter gelten können.
Arbeitnehmer zu Loyalität verpflichtet
Grundsatz hier ist, dass Aussagen in sozialen Netzwerken als öffentlich gelten und dass Posts nicht rufschädigend für das eigene Unternehmen sein dürfen, weil der Arbeitnehmer laut Arbeitsrecht gegenüber dem Arbeitgeber zu Loyalität und - in manchen Fällen auch - Verschwiegenheit verpflichtet ist. "Man muss sich die Frage stellen, wie es umgekehrt wäre: Es würde sich auch kein Arbeitnehmer gefallen lassen, wenn ein Arbeitgeber sich regelmäßig auf Facebook über die mangelhafte Arbeit seiner Mitarbeiter auslassen würde", so Didier Cremer.
In der DG ist laut übereinstimmenden Aussagen von Gericht, Arbeitgeberverband und Gewerkschaften bisher kein Fall bekannt, in dem eine Aussage im Netz zu einer Kündigung geführt hat. Deshalb gibt es auch bisher keinen Leitfaden oder ähnliches zum Thema soziale Medien im Arbeitsrecht in deutscher Sprache.
ake/mg - Bild: Bruno Fahy/BELGA