Belgien sei eben ein "faszinierendes" Land - selbst aus dem Mund von Elio Di Rupo - der nicht unbedingt als Spaßvogel bekannt ist - klingt das doch nach dem, was es ist: höchst subtile Ironie.
Das Mutterland des Surrealismus macht seinem Namen wieder einmal alle Ehre. Noch vor einer Woche hätte es sich der König wohl nicht träumen lassen, dass er mit Bart De Wever einen bekennenden Republikaner mit einer Sondierungsmission beauftragen würde. De Wever, der Belgien verdunsten lassen will, übernimmt damit eine Schlüsselrolle im Hinblick auf die Bildung einer neuen, einer belgischen Regierung.
De Wever und seine N-VA werden zudem mit dem großen Wahlsieger auf frankophoner Seite eine Achse bilden, also mit der PS - jener PS also, die De Wever im Wahlkampf 2007 zum Feindbild stilisiert hatte. Symbol der damaligen N-VA-Kampagne: ein dreieckiges Warnschild, in dessen Zentrum, eine Fliege, also das Lieblingskleidungsstück von Elio Di Rupo.
Das alles beruht auf Gegenseitigkeit. Nicht nur die PS, alle frankophonen Parteien haben die N-VA bislang quasi als Staatsfeind Nummer 1 betrachtet. Die N-VA steht bekanntlich für Maximalforderungen. Ziel war und ist wohl noch eine unabhängige Republik Flandern.
Möglichst viel vs. möglichst wenig Veränderung
Also, um es mit Di Rupo zu sagen, die 'faszinierende' Gemengelage sieht wie folgt aus: auf der einen Seite eine Partei, die möglichst viel verändern will, auf der anderen Seite eine, für die eigentlich alles so bleiben kann, wie es ist. Wie soll das zusammenpassen? Nun, so viel vorweg: Es ist nach wie vor nicht gesagt, dass es überhaupt passen wird.
Doch sieht es im Augenblick so aus, als wolle man es zumindest aufrichtig versuchen.
Betrachtet man zunächst die frankophone Seite, so sehen inzwischen alle Parteien die Notwendigkeit, eine Staatsreform durchzuziehen. Die Bereitschaft für eine Neuverteilung der Zuständigkeiten zu bekunden, ist allerdings eine Sache - wenn es einmal ans Eingemachte geht, wird sich zeigen, ob die Frankophonen es wirklich ernst meinen.
Im Blickpunkt ist derzeit aber vor allem Bart De Wever. Viel (um nicht zu sagen alles) wird jetzt davon abhängen, wie er die Verhandlungen angeht. Bleibt er bei seinen Maximalforderungen - von wegen "Soziale Sicherheit aufspalten", "die Region Brüssel verschwinden lassen" - dann kann man gleich morgen wieder einpacken. Und dann droht eine Blockade mit höchst ungewissem Ausgang, auch in finanzieller Hinsicht.
Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Na ja, noch nicht …
Einige Indizien
Erstens: Er steigt selbst in den Ring. Wenn De Wever die Rolle des Informateurs persönlich übernimmt, dann ist das nicht zu unterschätzen. Zum einen übernimmt De Wever die Hauptrolle in einem Theater, das er bislang eigentlich schließen wollte, zum anderen mag das ein Zeichen dafür sein, dass er ernsthaft ein Abkommen anstrebt. Ansonsten wäre er auf dem Balkon geblieben und hätte am Ende, wie ein römischer Kaiser, einfach den Daumen gehoben oder gesenkt.
Die Tatsache, dass seine erste Intervention als Informator zunächst ausschließlich auf Niederländisch erfolgte, sollte man nicht überbewerten. Das war eine bewusst gesetzte Duftmarke, ein Showeffekt. Mehr nicht…
Zweitens: Vielleicht ist es ja nur Kaffeesatz-Lesen, aber als De Wever die wichtigsten Prioritäten der nächsten Regierung aufzählte, nannte er ausdrücklich als ersten Punkt die Staatsfinanzen, und dann erst die institutionelle Zukunft des Landes.
Und drittens: eben die kleinen Sätzchen, die De Wever in seinen wenigen Interventionen seit Sonntag rechts und links fallen gelassen hat. Da hörte man Worte wie Kompromiss, Zugeständnisse, Vertrauen.
Hinzu kommt: De Wever hat eigentlich schon gewonnen, wenn er das erreicht, woran alle anderen seit zehn Jahren gescheitert sind. Ringt er den Frankophonen eine einigermaßen ausgewachsene Staatsreform ab, dann hat er schon mal was vorzuweisen. Genau dafür ist er gewählt worden: nicht, um das Land zu spalten, sondern um für Bewegung zu sorgen. Mit seinem Wahlsieg hat De Wever nämlich (und das weiß er) de facto den rechten Rand verlassen.
De Wever: ein außerordentlichespolitisches Talent
Und dann noch so viel: De Wever ist nicht Leterme. De Wever ist – wie im Übrigen auch Elio Di Rupo - ein Vollblutpolitiker. Mehr noch: Ob man seine Ideen nun unterschreibt oder nicht, De Wever verfügt über ein außerordentliches politisches Talent. Insofern könnte man fast schon behaupten, dass die Zukunft des Landes in den Händen von De Wever immer noch besser aufgehoben ist als bei Leterme.
Doch bleibt ein grundlegendes Problem. Um es mit den Worten der Leitartiklerin von 'Het Nieuwsblad' zu sagen: Es gibt einen Unterschied zwischen Bart De Wever und den Zauberlehrlingen von 2007 - diesem Zauberlehrling ist es in letzter Konsequenz egal, wenn das Labor in die Luft fliegt.
Eben: ein 'faszinierendes' Land.
Wer glaubt, dass Di Rupo bei der N-VA mit einer (seiner) Fliege verunglimpft wurde, der hat wohl die Presse vor den Wahlen nicht gelesen, und RTBF und RTL nicht gesehen oder gehört, auch in den letzten Tagen nicht, denn wie Herr De Wever dort diabolisiert wurde und wird, das spottet jeder weiteren Beschreibung. Vom Nazi ist der bei den Karikaturen eines Herrn Kroll im LeSoir nicht weiter entfernt, als bei den Aussprüchen eines Herrn Maingain!
Ich kann dem Leserbriefschreiber im GE nur zustimmen: unsere Berichterstattung hier in der DG ist, wie auch unsere Politik, viel zu einseitig auf die Wallonie ausgerichtet!
Frank Bosch.
Zitat: Unsere Berichterstattung hier in der DG ist, wie auch unsere Politik, viel zu einseitig auf die Wallonie ausgerichtet!
Herr Pint, wie fühlt man sich eigentlich so, wenn man so einseitig berichtet?
Wes Brot ich ess, des Lied ich sing?