Umfragen sind Umfragen, die letzten Wahlen, die weltweit so stattgefunden haben, waren eindrucksvolle Beweise dafür, wie sehr die Meinungsforschungsinstitute danebenliegen können. Und doch sind Politiker und Parteien immer besonders nervös, wenn Medien neue Ergebnisse von Befragungen veröffentlichen. Jetzt liegen die Ergebnisse der letzten Umfrage von Le Soir und RTL-TVI vor.
Maggie De Block im freien Fall
Magnette lacht, Maggie De Block weint... Le Soir bringt es treffend auf den Punkt. Die Zeiten, in denen die OpenVLD-Gesundheitsministerin in allen drei Regionen unangefochten die Hitparaden anführte, die sind vorbei. In Flandern steht De Block inzwischen auf Platz fünf, in Brüssel auf Platz neun - und in der Wallonie ist sie buchstäblich im freien Fall: Maggie De Block verliert ganze 15 Plätze und landet "unter ferner liefen" auf Rang 17.
Das ist eine direkte Folge der politischen Entwicklungen Ende letzten Jahres. De Block agierte mehr und mehr glücklos: Im frankophonen Landesteil gab es die Polemik um die sogenannten "Inami-Nummern", also die Ärzte-Zulassungen für diplomierte Mediziner. Außerdem wurden neue Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen beschlossen, obgleich De Block im Vorfeld versprochen hatte, das genau das nicht passiert. Resultat jedenfalls, wie Het Laatste Nieuws festhält, "Die Marke Maggie zeigt Verschleißerscheinungen".
CETA lässt grüßen
Ein anderer hat demgegenüber sein Image offensichtlich aufpoliert. Der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette ist der neue Spitzenreiter in der Popularitätshitparade, und das nicht nur in der Wallonie, sondern auch in Brüssel. Das dürfte nur bedingt an seinem modischen Dreitagebart liegen, vielmehr lautet das Zauberwort hier wohl: "CETA". Im vergangenen Herbst hat Magnette ja quasi weltweit von sich reden gemacht, als er sich wie ein moderner Robin Hood alleine gegen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada stellte.
Für einen "CETA-Effekt" scheint zu sprechen, dass fast alle wallonischen Regionalminister zu den Gewinnern zählen. Der CDH-Vorsitzende Benoit Lutgen belegt übrigens im neuen Politbarometer in der Wallonie hinter Paul Magnette und Elio Di Rupo Platz drei.
In Flandern ist Theo Francken Spitzenreiter
In Flandern gibt es auch einen neuen Spitzenreiter, nämlich den Asylstaatssekretär Theo Francken. Wenn man sich dessen Auftritte im letzten Herbst vor Augen führt, und seine Popularität daraus ableitet, dann dürfte das dem einen oder anderen nicht gefallen. Francken hatte sich nämlich in erster Linie dadurch hervorgetan, dass er einen Frontalangriff auf die Justiz gefahren hat. Dies, nachdem gleich mehrere Gerichte den Staatssekretär dazu zwingen wollten, einer syrischen Familie aus Aleppo ein humanitäres Visum zu gewähren.
Apropos Francken, apropos N-VA: Selbst in der Wallonie behalten die Minister der flämischen Nationalisten eine gewisse Popularität: Francken ist auf Platz neun, sein Parteikollege, Innenminister Jan Jambon zwei Plätze dahinter. Zwischen beiden, auf einem bescheidenen zehnten Platz, dümpelt übrigens Premier Charles Michel, der in der Wallonie nach wie vor nicht wirklich beliebt ist, trotz Amtsbonus.
PTB im Aufwind
Womit wir bei der föderalen Ebene werden. Das Meinungsforschungsinstitut Ipsos hat im Auftrag von Le Soir und RTL-TVI nicht nur die Popularitätswerte abgefragt, sondern natürlich auch die allgemeinen Wahlabsichten. Resultat: Die PS setzt in der Wallonie ihre Talfahrt fort, landet noch bei 23,6 Prozent, das ist der tiefste Wert seit der Wahl im Mai 2014. Die MR befindet sich mit knapp 20 Prozent auch an ihrem bisherigen Tiefpunkt.
Und dann kommt schon eine Partei, deren Umfragewerte seit Monaten steil nach oben zeigen: Die kommunistische PTB ist dritte politische Kraft in der Wallonie mit rund 16 Prozent. Hier muss man sagen: Durchgeführt wurde die Umfrage, bevor der Publifin-Skandal richtig groß wurde, man darf also davon ausgehen, dass die PTB-Kurve jetzt eher noch einen weiteren Knick nach oben zeigen dürfte.
Platz 4 teilen sich die Grünen und die CDH mit etwas mehr als 11 Prozent.
In Brüssel liegen PS und MR mit rund 18 Prozent nahezu gleichauf, auch hier liegt die PTB auf Platz drei.
In Flandern scheint die N-VA ihre Popularitätskrise überwunden zu haben, es geht wieder bergauf: Die Partei von Bart De Wever landet bei 27,4 Prozent. Dahinter "knubbeln" sich die traditionellen Parteien, nacheinander CD&V, SP.A und OpenVLD dümpeln zwischen 13 und 15 Prozent herum.
Die Mehrheit hat keine Mehrheit mehr
Die Gewinner kann man an einer Hand abzählen: Im ganzen Land legen im Vergleich zur Wahl 2014 nur die Grünen und die PTB zu, in Flandern hat darüber hinaus der rechtsextreme Vlaams Belang den Wind in den Segeln.
Und noch eine letzte Feststellung: Die Mehrheit auf föderaler Ebene hat keine Mehrheit mehr. Die Verluste von N-VA, MR, CD&V und OpenVLD sind im Vergleich zur Wahl dann doch so groß, dass sie nur noch auf 72 Sitze kämen - 72 von 150. Aber es ist ja immer noch "nur" eine Umfrage.
rop/est - Foto: Thierry Charlier/AFP