"Seit gut einem Jahr beobachten wir einen spürbaren Aufwind in der Exportwirtschaft", sagt Edward Roosens, Chefökonom beim Arbeitgeberverband FEB. Dafür gebe es im Wesentlichen zwei Gründe. Erstmal natürlich der schwache Eurokurs, was aber für alle Länder der Eurozone gilt. Hinzu komme dann aber, spezifisch für Belgien, die Tatsache, dass die Regierung Maßnahmen ergriffen hat, um die Lohnkosten zu drücken. Beides zusammen führe dazu, dass belgische Unternehmen wettbewerbsfähiger geworden sind.
Ein paar Zahlen: Im vergangenen Jahr belief sich das Wachstum immerhin auf 1,3 Prozent. Das sei aller Ehren wert, sagen die Arbeitgeber, zumal wenn man bedenkt, dass die Anschläge vom 22. März der belgischen Wirtschaft durchaus einen herben Schlag versetzt haben. Die FEB schätzt, dass die Attentate und ihre Folgen das Wachstum um 0,5 bis 0,6 Prozentpunkte gedrückt haben. Da ist ein Wert von 1,3 also immer noch als "gar nicht mal so schlecht" einzustufen.
Exporte sind Wachstumsmotor
Motor dieses Wachstums sind, ähnlich wie in Deutschland, die Exporte. Und im Moment gebe es keinen Grund, zu befürchten, dass sich diese Entwicklung nicht fortsetzt, meint FEB-Chefökonom Edward Roosens. Aus den europäischen Partnerländern kämen positive Signale, und wenn man es jetzt noch schaffe, die Lohnkosten im Griff zu halten, dann werde es weiter bergauf gehen.
Konkret hat die FEB da die anstehenden Verhandlungen über ein Rahmentarifabkommen vor Augen. Die Botschaft richtet sich ganz klar an die Gewerkschaften, nach dem Motto: "Nur, wenn ihr auf allzu hohe Lohnforderungen verzichtet, brummt die Wirtschaft weiter auf dem derzeitigen Niveau". Die Gewerkschaften dürften das freilich etwas anders sehen. Ob sie nach Jahren der Lohnmäßigung dazu bereit sind, genauso weiterzumachen, ist eher fraglich.
Und es gibt auch eine Botschaft an die Regierung, die da lautet: Setzt den Reformkurs bitte fort. Die Unternehmenswelt warte insbesondere auf die angekündigte Neuordnung der Körperschaftssteuer.
Unternehmen rechnen mit Absatzplus
Für das kommende Jahr geht die FEB jedenfalls davon aus, dass die Wirtschaft um 1,7 bis 1,8 Prozent wachsen wird. Und diese Prognose wird in gewisser Weise bestätigt, wenn man die Firmenchefs direkt befragt, wie die FEB es regelmäßig macht. Demnach rechneten sechs von zehn Unternehmen damit, dass sie ihren Umsatz in diesem Jahr steigern können, sagte FEB-Geschäftsführer Pieter Timmermans in der VRT.
Und von alledem werde auch der Arbeitsmarkt profitieren, verspricht die FEB. Schon im vergangenen Jahr habe der Jobmotor auf vollen Touren gedreht. In den ersten neun Monaten von 2016 sind über 46.000 neue Arbeitsplätze hinzugekommen. Und wenn alles gut geht, dann setze sich dieser Trend in diesem Jahr fort. Man könne jedenfalls nur feststellen, dass die Betriebe nicht mehr in Maßnahmen investieren, um die Kosten zu drücken, sondern expandieren und Geld in Innovation stecken, sagt Edward FEB-Chefökonom Roosens.
Expansion, Innovation, meist folgt dem tatsächlich die Einstellung von neuem Personal... Das aber, wie gesagt, "wenn alles gut geht".
Brexit, Trump und Ölpreis
Die Glaskugel der FEB zeigt nämlich stellenweise noch ein durchaus verschwommenes Bild. Konkret: Es gibt noch zahlreiche Unwägbarkeiten. Wird es einen harten oder einen weichen Brexit geben? Wie ernst meint es der designierte neue US-Präsident Donald Trump mit seinem Protektionismus, der Politik der wirtschaftlichen Abschottung? Wie wird sich der Ölpreis entwickeln?
Das sind Faktoren, die gerade einer ebenso kleinen wie offenen Wirtschaft wie der belgischen im Ernstfall arg zusetzen können. Viel wird auch vom allgemeinen Klima an der Sozialfront abhängen. Der eine oder andere Unglücksprophet mag nämlich in seiner Glaskugel starke Hinweise darauf erkennen, dass es auf einen neuen Clash zwischen den Gewerkschaften und der Regierung hinausläuft. Längere Streikaktionen würden auch für Wolken am Konjunkturhimmel sorgen.
Aber hätte, könnte, würde: Dass die Wirtschaft trotz dieser Sorgen immer noch vergleichsweise optimistisch in die Zukunft blickt, das ist zumindest doch schonmal ein Anfang.
Roger Pint - Bild: Filip de Smet/BELGA