"Entschuldigen Sie bitte die Unterbrechung: Ein außergewöhnliches Ereignis, ein außergewöhnliches Ereignis." Mit diesen Worten begann François de Brigode am 13. Dezember 2006 die Sendung, die noch heute für mächtig Gesprächsstoff sorgt, sobald man über sie spricht. In einer Fiktion berichtete die RTBF am Abend in einer angeblichen Sondersendung darüber, dass Flandern seine Unabhängigkeit erklärt habe, Belgien damit nicht mehr existiere, und sogar der König schon das Land verlassen habe.
"Bye-bye Belgium", "Tschüss Belgien" nannte die RTBF ihre Sendung. Und noch vor dem ersten gesprochenen Wort hatte der öffentlich-rechtliche Sender mit einer Einspielung darauf verwiesen, dass es sich bei allem Folgenden nur um eine Fiktion handeln werde, also um etwas Erfundenes, was nicht den Tatsachen entspricht.
Doch nicht bei allen kam diese Botschaft an. Viele nahmen das, was gesagt wurde, ernst. Sie glaubten tatsächlich, dass Belgien dabei war, auseinanderzubrechen. Hatte die RTBF damit eine rote Linie überschritten? Einen Fehler gemacht?
Verwirrte Zuschauerreaktionen
Der damalige Programmdirektor der RTBF, der gebürtige Franzose Yves Bigot, erinnert sich an das, was er damals während der Sendung gedacht hatte. Er sagt: "Ich war vielleicht noch viel mehr gestresst als meine belgischen Kollegen, weil ich wusste, dass man so etwas in Frankreich nicht machen konnte. Ich wusste, dass das verboten war. Deshalb konnte ich mir zwar rationell sagen, dass man eine solche Sendung rein rechtlich durchaus machen kann. Aber während ich mir die Bilder anschaute und dem zuhörte, was gesagt wurde, habe ich mir nur gedacht: Oh lala!"
Dieses "Oh lala" war begründet. Denn noch während der Sendung meldeten sich auch Vertreter aus Wirtschaft und Politik. Sie fanden die Sendung wenig lustig, der Druck auf die RTBF zur Klarstellung stieg. Auch viele normale Zuschauer riefen an, zeigten sich verwirrt, verunsichert, oder kritisierten zum Teil heftig, was die RTBF da gerade veranstaltete.
RTBF steht heute noch hinter der Sendung
Die unerwarteten Reaktionen brachten Moderator François de Brigode in eine schwierige Situation. Denn er versuchte, beides zu moderieren, beides zu vermitteln: Die geplante Sendung mit ihrem bereits vorformulierten Szenario und die Reaktionen, die während der Sendung in der Redaktion eintrudelten. Schizophren sei er sich dabei vorgekommen, wie er heute sagt. Auf die Frage, ob er heute noch hinter der Sendung von damals stehe, lässt sich de Brigode heute in der Zeitung "L’Avenir" mit den Worten zitieren: Ja, zu 110 Prozent.
Ein zögerliches "Ja" zu der damaligen Entscheidung kommt auch von Jean-Paul Philippot, Verwaltungschef der RTBF. Und auch Jean-Jacques Jespers kann weiterhin nichts Schlimmes an der Sendung und ihrer Machart erkennen. Der ehemalige RTBF-Journalist und heutige Professor für Deontologie, also für Berufsethos, an der Freien Universität von Brüssel, sagt: "Zehn Jahre nach der Sendung kann man wohl eher davon sprechen, dass sie ein Erfolg war. Sie hat in der Öffentlichkeit eine interessante Diskussion über die Zukunft unserer staatlichen Institutionen angeregt, und aus dieser Sicht kann man sagen, dass die Bilanz durchaus positiv ausfällt."
Politiker hingegen bleiben kritisch. PS-Chef Elio Di Rupo lässt sich in der Zeitung "La Libre Belgique" mit den Worten zitieren: "Mir hat es nicht gefallen, dass eine öffentliche Einrichtung wie die RTBF, die mit Steuern, also dem Geld der Bürger finanziert wird, mit dem Vertrauen der Leute spielt. Das hat die RTBF getan, indem sie Journalisten, denen die Menschen sonst Vertrauen entgegenbringen, an dieser Sendung beteiligt hat. Das trägt dazu bei, dass die Glaubwürdigkeit von Journalisten in Frage gestellt wird. Und es stärkt grundsätzlich Misstrauen gegenüber Politikern und Journalisten", so Elio Di Rupo.
Kay Wagner - Archivbild: Herwig Vergult/BELGA