"Damit das von vornherein klar ist", sagte Theo Francken: "Dieses Visum wird nicht zuerkannt". Punkt! Ungläubige Gesichter im Halbrund der Kammer. Doch war das erst der Anfang...
Alles dreht sich um eine vierköpfige Familie, die derzeit in, Aleppo lebt, bzw. leben muss. Die syrische Stadt stand in den letzten Wochen quasi unter Dauerbeschuss. Eine Familie in Namür kennt die Leute und erklärte sich bereit, das Ehepaar mit seinen zwei Töchtern bei sich aufzunehmen. Fehlte nur noch ein Visum. Der Vater stellte also in der Belgischen Botschaft in Beirut einen Antrag auf ein vorübergehendes Bleiberecht in Belgien, auf ein sogenanntes "humanitäres Visum".
Die zuständige Behörde hat diesen Antrag zunächst auch gewährt. Asylstaatssekretär Francken klagte daraufhin. Inzwischen hat die Geschichte so ziemlich alle Instanzen durchlaufen. Am Mittwoch dann fällte ein Brüsseler Berufungsgericht ein doch bemerkenswertes Urteil: Demnach muss der belgische Staat das Visum zuerkennen. Für jeden Tag, an dem das nicht erfolgt, droht ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro.
Gefährlicher Präzedenzfall
Nur will sich Francken eben partout nicht beugen. Seine Argumentation: Man würde damit einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Konkret: Es würden alle Dämme brechen, glaubt Francken. Anzeichen dafür gebe es schon. Seit die Geschichte bekannt geworden sei, seien bei der belgischen Botschaft in Beirut schon acht vergleichbare Anträge gestellt worden.
Francken sagt: Man kann einen Asylantrag nur dann stellen, wenn man sich schon in dem vermeintlichen Gastland befindet - und nur dann. Sprich: Der Antragsteller kann da nicht über eine Botschaft gehen. Nirgendwo werde die Regel so interpretiert wie in Belgien und nirgendwo in der Welt könne ein Bleiberecht über ein Gericht eingeklagt werden.
Opposition: Einem Gerichtsurteil muss man sich beugen
"Alles schön und gut!", meldete sich dann aber die Opposition zu Wort. Man könne ja mit einem Urteil nicht einverstanden sein, das ändere aber nichts daran, dass man sich einem Gerichtsurteil beugen muss, sagte die PS-Abgeordnete Julie Fernandez. Was für jeden Bürger gilt, das gilt auch für einen Staatssekretär.
Der Staatssekretär glaubt offensichtlich, dass er über dem Gesetz steht, wetterte auch Wouter De Vriend von Groen. "Sie gehen hier doch mit besonders schlechtem Beispiel voran", fügte Monica De Coninck von der flämischen SP.A hinzu. "Sie wollen doch Neuankömmlinge eine Charta unterschreiben lassen", sagt De Coninck. Darin wird die Gewaltentrennung ausdrücklich als demokratisches Grundprinzip angeführt. Dann sei es doch das Mindeste, dass sich die Regierung selbst daran hält.
#IkSteunTheo
Theo Francken gab sich bei all dem noch ziemlich unbeeindruckt. Quasi zeitgleich lancierte seine Partei auf Twitter eine Kampagne unter dem Hashtag, also dem Schlagwort: "#IkSteunTheo", "Ich unterstütze Theo". Dabei geht die N-VA voll in die Vollen, spricht unter anderem von "weltfremden Richtern". Das nennt man wohl eine Breitseite: Eine Regierungspartei startet einen Frontalangriff auf die dritte Gewalt des Staates, die Justiz...
Und das sorgte auch bei den Koalitionspartnern für hörbares Naserümpfen: Das sei eine grobe Missachtung des Rechtsstaates und dementsprechend inakzeptabel, sagte der CD&V-Fraktionsvorsitzende in der Kammer, Servais Verherstraeten. Eine Regierungspartei könne doch nicht anfangen, Richter zu bedrohen, sagt auch OpenVLD-Vizepremier Alexander De Croo. Der Bürger dürfe das auch nicht. Aber gut, fügt De Croo beißend hinzu: "Jeder Vogel singt nunmal, wie ihm der Schnabel gewachsen ist."
"Herrschaft der Richter": De Wever setzt noch einen drauf
N-VA-Chef Bart De Wever hat dann am Freitag nochmal einen drauf gesetzt. Man kann schon fast von einem Frontalangriff sprechen. Also, so sagt De Wever, die Flüchtlingskrise, die haben wir eigentlich Richtern zu verdanken. Europa habe bis 2011 die Flüchtlinge zurückgewiesen - bis ein Gericht geurteilt habe, dass das so nicht geht. "Und seither ertrinken Menschen massenhaft im Mittelmeer", so De Wever.
De Wever findet jedenfalls, dass Richter zu oft Politik machen. Er spricht von "richterlichem Aktivismus", er warnt sogar vor einer "Herrschaft der Richter". In einer Demokratie macht das Volk die Gesetze, bzw. das Parlament und eben nicht die Richter. Starker Tobback: De Wever stellt hier den Rechtsstaat in seiner derzeitigen Form ganz offen infrage...
Justizrat warnt vor türkischen Verhältnissen
Die Reaktionen der N-VA auf den Fall sorgt nicht nur bei den Koalitionspartnern der Partei für Unverständnis. Auch in Justizkreisen reagiert man empört auf die Kritik des Staatssekretärs und seiner Partei. Der Ratsvorsitzende, Christian Denoyelle, warnte am Freitagmorgen im flämischen Rundfunk davor, dieselbe Richtung einzuschlagen wie die Türkei. Gegen Kritik an Gerichtsurteilen sei nichts einzuwenden. Was aber irritiere, sei, dass Richter als "weltfremd" bezeichnet würden, das gehe so nicht, sagte Denoyelle.
Manuela Cadelli, die Präsidentin der Gewerkschaft der Magistrate, reagierte in der RTBF fast schon entsetzt. "Was hier passiert, ist ohne Beispiel", sagt Cadelli. "Stellen Sie sich mal vor, jemand steht vor Gericht und sagt, dass er die Gesetze nicht respektiert. Was glauben Sie wohl, was dann passiert?" Diese Regierung brüstet sich auch noch damit, indem sie eben ganz klar sagt, dass sie sich dieser "weltfremden Justiz" nicht beugt. "Wenn wir nicht aufpassen", so sagt Cadelli, "dann schlittern wir damit geradewegs in die Barbarei".
Justizminister Koen Geens (CD&V) stärkt der Justiz ebenfalls den Rücken. Ein Richter habe solange Recht, bis ihm ein Richter höherer Instanz widerspreche, sagte Geens vor Journalisten. In einem Rechtsstaat müssten Gerichtsbeschlüsse umgesetzt werden, sagte Geens. Das gelte im konkreten Fall auch für die Zahlung des Zwangsgelds - das dazu diene, das durch das Urteil geforderte Verhalten durchzusetzen.
Michel ruft zur Besonnenheit auf
Auch Premierminister Charles Michel hat mittlerweile reagiert. Allerdings bleibt Michel doch recht vage. "Die N-VA spricht für sich, nicht für die Regierung", sagt Michel. Und er rufe alle Beteiligten zur Besonnenheit auf. Und zum Inhalt nur so viel: Es sei tatsächlich so, dass es einen Gerichtsentscheid gebe, der dazu führen kann, dass die Regierung die Kontrolle über die Einwanderungspolitik verliert. Das gelte es erst einmal zu prüfen.
Kein Wort also vom Premier über die Tatsache, dass eine Regierungspartei hier frontal die Justiz attackiert. Und einige hätten sich da wohl mehr gewünscht. In einem Kommuniqué hat die PS die Haltung des Premiers schon scharf kritisiert, nach dem Motto: Selbst, wenn die N-VA den Rechtsstaat angreife, wage es Michel immer noch nicht, die Partei mal zur Ordnung zu rufen.
Roger Pint - Bild: Virginie Lefour/BELGA
Wenn der gute Mann sich weiterhin gegen Gerichtsurteile quer stellt - dann sollte dieser auch die Strafzahlung von 4000 € pro Tag von seinem Gehalt als Politiker bezahlen und auch diejenigen die diesen unterstützen in einem mit.....die Gesichter in dem Moment würde ich dann doch sehr gerne sehen......oder die Herrschaften begeben sich umgehend an den Ort des Geschehens und erleben das was die Leute dort unten schon erlebt haben am eigenen Leib und das nicht nur für einen Tag sondern für 4 Wochen und länger - ob diese dann danach noch ebenso Stur an ihrem Verhalten festhalten mag ich bezweifeln - jedenfalls die sollten es echt und wahrhaftig und für längere Zeit selbst erleben und leben wie diese Familie welcher man helfen möchte.
wird auch dem letzten Zweifler jetzt endlich klar, was fuer eine Partei die NV-A ist ? Der Vergleich mit der Türkei ist da ganz richtig. Und das Michel nur eine Marionette Bart De Wevers ist, wird auch deutlich. Noch nie hat er wirklich etwas gegen die NVA gesagt, geschweige getan. Diese Partei sollte mal einen Eignungstest für demokratische Grundrechte machen... Diese Familie stellt überhaupt keinen Asylantrag, sondern möchte ein beschränktes Visum haben, den Antrag stellt man üblicherweise vor der Einreise. Nicht mal seine eigene Administration kennt dieser unfähige Herr !
Belgien besitzt seit dem diese Braune Brühe an der Macht ist international ein ganz schlechtes Image.
Mir ist schleierhaft, wie dieser Michel mit der NVA zusammengehen konnte! Aber die Liberalen sehen nur Geld, Geld, Geld ...
Wenn Theo Francken den Rechtsstaat so in Frage stellt, dann ist er genau so wie jene, die den Koran über die staatlichen Gesetze stellen. Die Büchse der Pandora ist geöffnet. Gegen so ein antidemokratisches Verhalten muss Widerstand geleistet werden. Die Geister der Vergangenheit sind wieder wach.