Die Wirtschaftszeitung De Tijd hatte am Samstag die Pläne von Mobilitätsminister François Bellot (MR) veröffentlicht. Der will neu definieren, was genau eine repräsentative und anerkannte Gewerkschaft ist. Dazu gehören eine Mindestanzahl an Mitgliedern und eine Verbreitung auf nationalem Niveau. Für die beiden unabhängigen Gewerkschaften SACT und SIC bedeutet das quasi das Aus. Sie bleiben zwar eine anerkannte Gewerkschaft; Streikankündigen zu hinterlegen, bleibt ihnen aber untersagt.
Ihre Streiks gelten als wilde Streiks und wer mitmacht, der tut dies illegal und muss mit Geldstrafen rechnen. Und nicht nur das. Ordentliche Gewerkschaftsarbeit wird ab jetzt ziemlich schwierig, sagt Pascal Dumont vom frankophonen Zweig der Autonomen Zugführergewerkschaft SACT. So fallen die drei Vollzeitdelegierten weg, die Computer wurden ihnen bereits abgenommen, genauso wie der Zugang zum Netzwerk der SNCB. Für Pascal Dumont ist das Gesetz ein Versagen der Demokratie.
Sein flämischer Kollege Luc Pauwels von der OVS zieht ebenfalls die Alarmglocke. Die Regierung schrecke nicht davor zurück, das Streikrecht auszuhöhlen. Er will gegen das Gesetz gerichtlich vorgehen.
Die zwei unabhängigen Gewerkschaften kritisieren aber auch eine weitere Folge des Gesetzes. Ab sofort sitzt nämlich die liberale Gewerkschaft SFLP/VSOA bei den Konzertierungsrunden mit am Tisch. Die hat nur wenige Mitglieder und bislang bei der Bahn quasi keinen Fuß in die Tür bekommen. Dass sie jetzt mitreden dürfe, habe sie der Unterstützung der aktuellen Mitte-Rechts Regierung zu verdanken, behauptet der Politologe Jean Faniel. Die Politik wolle natürlich die Position ihrer Gewerkschaft stärken. Vor allem, wenn sie wegen geringer Mitgliederzahlen von alleine nicht auf das Kräfteverhältnis einwirken könne, so Faniel.
Und auch die große sozialistische Gewerkschaft meldete sich zu Wort. Michel Abdassi, Präsident der frankophonen CGSP Lokführer findet es schockierend, dass die liberale Gewerkschaft ab sofort mit am Tisch sitzt. Alles kein Problem, hätte sie die erforderlichen 10 Prozent Mitglieder gehabt. Dass sie trotz der paar Mitglieder was zu sagen habe, sei aber unerhört.
Doch trotz aller Solidaritätsbekundungen, besonders traurig dürften die Großen nicht über den Ausschluss der Kleinen sein. Vor allem die SACT/ASTB hatte im Sommer 2015 mit ihren sieben Streiksamstagen für Schlagzeilen und Ärger gesorgt. Darunter hat auch das Image der großen Gewerkschaften gelitten. Und dass die kleinen draußen bleiben müssen, wird den Großen wieder mehr Einfluss verschaffen.
Auch die Bahndirektion wird sich wohl die Hände reiben. Derzeit laufen nämlich die Verhandlungen mit den Sozialpartnern über einen Minimaldienst bei Streiks. Und mit dem Streikverbot für die Kleinen sind zwei Unsicherheitsfaktoren schon mal vom Tisch.
VKr - Foto: Pierre Andrieu (afp)