Am Montagmorgen schon vertagte sich die Regierungsspitze und das nach immerhin doch 20-stündigen Verhandlungen. Am Nachmittag wurden die Beratungen erneut für rund eine Stunde ausgesetzt. Die Koalition hat sich wohl ziemlich festgefahren.
Auf dem Tisch liegen die Budgets 2016 und 2017. Und damit Belgien in der EU-Spur bleibt, muss die Regierung 4,2 Milliarden Euro finden.
Daneben geht’s aber auch um eine Reihe von wichtigen sozioökonomischen Reformen. Die N-VA zum Beispiel verlangt eine Reform der Körperschaftssteuer. Die Abgabe, die Unternehmen auf ihren Gewinn zahlen, soll demnach von jetzt rund 34 Prozent auf dann 20 Prozent gesenkt werden. Außerdem plant die Koalition weitere Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Hier geht es um die geplante Aufweichung der 38-Stundenwoche. Und dann hat die CD&V noch buchstäblich in letzter Minute einen eigenen Vorschlag hinterlegt: eine Steuer auf Aktiengewinne. Wer Aktien oder Obligationen mit Gewinn verkauft, der soll auf diesen Mehrwert eine Abgabe bezahlen.
All diese Zutaten müssen jetzt also noch austariert werden. Und genau daran hapert es.
Reynders: "Der Haushalt ist rund"
Die einen sagen: Lasst uns den Haushalt schon mal beschließen. Denn der steht ja anscheinend so weit. So zumindest äußerte sich der MR-Vizepremier Didier Reynders. "Der Haushalt ist soweit rund, wir sind in der Spur, es gibt sogar noch Platz für neue Initiativen. Der Premier kann damit also ins Parlament, sagt Reynders.
Jetzt aber mal langsam!, sagt da aber der CD&V-Vizepremier Kris Peeters: Gut, der Haushalt, der stehe soweit, wir müssen aber noch über einige Reformen diskutieren. Diskutieren müsse man vor allem noch über seine Idee der "gerechten Besteuerung", und damit meint er die Steuer auf Aktiengewinne.
Fazit also: die MR will die Bereiche eigentlich trennen und die CD&V sagt: Das ist ein Ganzes: "Le tout est dans le tout", es gibt erst eine Einigung, wenn man sich wirklich auch auf alle Punkte geeinigt hat.
CD&V will Börsengewinne besteuern
Die flämischen Christdemokraten halten offensichtlich unnachgiebig an dieser Forderung nach "Steuergerechtigkeit" fest. Es scheint, als lege es die CD&V auf eine Krise an. "Für uns", so sagt Peeters, "ist Steuergerechtigkeit ein wesentlicher Punkt. Wenn die Koalitionspartner das nicht einsehen wollen, dann werden wir sehen, wie die Sache ausgeht."
Für den Fall, dass man die Drohung noch nicht verstanden hat, legte Peeters noch eine Schippe drauf. Frage eines Journalisten: "Sind Sie sich darüber im Klaren, dass Sie die Regierung damit in Gefahr bringen". Antwort Kris Peeters: "Diese Sache ist größer als die Regierung." Heißt also: Die CD&V macht daraus eine Gretchenfrage: Ohne Reichensteuer, keine Einigung.
Hier gilt wieder mal: "einer gegen alle". Die CD&V versucht einmal mehr, sich als das "soziale Gewissen" der Regierung zu profilieren. Und weil sie das schon so oft versucht hat, will die Partei jetzt offensichtlich hier auch mal einen Erfolg verbuchen. Ein möglicher Ausweg wäre dann doch die Idee von Didier Reynders. Also: man spaltet die Akten auf: Premier Michel geht erst mal mit dem Haushalt ins Parlament. Die Reformen könne man noch später ausformulieren, da würde also ein Grundsatzabkommen ausreichen, so Reynders.
Weg in eine Regierungskrise?
Da liegt wohl des Pudels Kern. Schwer vorstellbar, dass sich die CD&V mit ein paar warmen Worten abspeisen lassen wird. Mit jedem giftigen Sätzchen in der Presse wird es für alle Beteiligten schwieriger, am Ende noch das Gesicht zu wahren. Wenn das Wort "Krise" vielleicht ein bisschen verfrüht ist, man kann doch sagen, dass wir im Moment eine ziemliche "Dramatisierung" erleben. Deadline ist und bleibt Dienstag, 14:15 Uhr. Dann wird in der Kammer die "Rede zur Lage der Nation" von Premier Michel erwartet.
Roger Pint - Bild: Benoit Doppagne/Belga
Als deutscher Nachbar mit belgischen Wurzeln bete ich ständig für Euer liebes Land, seine Entitäten, seine Menschen, seinen König und seine Regierung.
Vielen Dank für Ihre Gebete, Herr Daix ... 😉