Dass es schwierige Verhandlungen würden, das war allen Beteiligten klar. Damit der Haushalt in der Spur bleibt, musste die Regierung 4,2 Milliarden Euro finden. Wobei: Dieser Betrag wurde im Laufe des Wochenendes schon nach unten korrigiert; die Rede war plötzlich noch von drei Milliarden. Anscheinend hatte die Koalition da schon die Reserve angezapft, die eigentlich für den Fall von ausbleibenden Steuereinnahmen zurückgelegt wurde. Außerdem halten sich wacker Gerüchte, wonach sich die Regierung mit der EU-Kommission auf eine Streckung des Haushaltsfahrplans verständigt hat.
Viel ist nicht durchgesickert über eventuelle neue Sparmaßnahmen. Gesundheitsministerin Maggie De Block deutete an, dass wohl im Gesundheitswesen der Rotstift angesetzt werden könnte. "Sparmaßnahmen sind wohl nicht zu vermeiden, sie werde aber alles tun, dass der Patient da nicht der Leidtragende ist", sagt Maggie De Block.
Schnellere Beschneidung des Arbeitslosengelds
Die OpenVLD und auch die N-VA forderten ihrerseits eine schnellere Beschneidung des Arbeitslosengelds auf dem Weg zu einer wirklichen zeitlichen Befristung. Die Idee sorgt jedoch erneut für Streit innerhalb der Regierung - vor allem von der CD&V hagelt es Kritik, denn die hat ja einen starken Gewerkschaftsflügel: die christliche Arbeiterbewegung, genauer gesagt die Gewerkschaft CSC.
Und Kris Peeters, der CD&V-Vizepremier, sagte am Sonntag schon zwischen den Zeilen in der VRT, dass eine Beschneidung des Arbeitslosengelds für ihn nicht infrage komme. Das Gesamtvolumen an Arbeitslosengeld, das ausgezahlt wurde, ist ohnehin schon stark gesunken, sagte Peeters. Das hat unter anderem damit zu tun, dass wir glücklicherweise weniger Arbeitslose haben. Erst recht vor diesem Hintergrund kann es doch nicht die Absicht sein, die Menschen am Ende in die Armut zu treiben. Also: ein klares Nein von der CD&V, die sich mehr denn je als das soziale Gewissen der Regierung profilieren will.
Reformvorhaben
Auf dem Verhandlungstisch liegt aber nicht nur der Haushalt, sondern auch eine Reihe von Reformen. Die N-VA und die OpenVLD wollen die Körperschaftssteuer senken, also die Abgaben für Unternehmen. Die CD&V verlangt jetzt als so eine Art "Gegenleistung" eine Steuer auf Aktienmehrwerte: Wenn man eine Aktie teurer verkauft, als man sie erworben hat, dann müsste man auf die Differenz eben Steuern zahlen. Das wiederum wollen die beiden anderen nicht.
Die MR, die Partei des Premierministers, hat da fast schon die Rolle des Moderators... Auch hier zeigt sich wieder: Die CD&V gibt wieder das soziale Gewissen und will dafür sorgen, dass die Regierung auch mal die Reichen zur Kasse bittet.
Verhandlungen am Morgen unterbrochen
Am Montagmorgen hatte die Regierung die Verhandlungen ergebnislos abgebrochen. Ein gutes Zeichen ist das wohl nicht. In der Regel ist es so, dass man in einer solchen Situation "au finish" verhandelt, wie es in Belgien so schön heißt, d.h. solange bis es auch wirklich eine Einigung gibt. Und wenn sich die Regierung dann doch am Montagmorgen um kurz nach sechs Uhr erst mal wieder vertagt hat, dann heißt das wohl, dass die Verhandlungen festgefahren sind.
Reynders: "Haushalt so gut wie geschnürt"
Am Montagvormittag haben Premierminister Charles Michel und die wichtigsten Minister der Föderalregierung ihre Haushaltsberatungen wieder aufgenommen. Vor Beginn der Gespräche erklärte Vizepremier Didier Reynders, die Budgets 2016 und 2017 seien so gut wie geschnürt. Es seien nur noch Einzelheiten zu klären. Vizepremier Kris Peeters erklärte allerdings, einige Dinge müssten noch ausdiskutiert werden.
Die Uhr tickt jedenfalls: Deadline ist am Dienstagnachmittag um 14:15 Uhr. Dann soll Premier Michel in der Kammer seine "Rede zur Lage der Nation" halten. Bis dahin muss also eigentlich alles fertig sein... Zur Stunde unternehmen die Minister einen neuen Anlauf.
Roger Pint - Archivbild: Thierry Roge/BELGA