Der 11. April dieses Jahres - der wohl schwärzeste Tag in der politischen Laufbahn der Joëlle Milquet. Ziemlich überraschend reicht die CDH-Ministerin ihren Rücktritt ein. Eine alte Geschichte hatte sie eingeholt. Seit Monaten liefen schon Ermittlungen wegen mutmaßlicher Vorteilsnahme. Konkret: Milquet soll in ihrer Zeit als föderale Innenministerin Mitarbeiter in ihrem Kabinett eingestellt haben, die eigentlich für die CDH im Wahlkampf aktiv waren. Also: Parteiarbeit auf Staatskosten. Man spricht hier gerne von "Phantomjobs".
Eben an jenem 11. April wurde offiziell ein Ermittlungsverfahren gegen sie eröffnet. Eine Ministerin, die der Veruntreuung von staatlichen Mitteln beschuldigt wird, das ist natürlich nur schwer tragbar. Deswegen zog sie es eben vor, von ihrem Amt zurückzutreten. Zuständig war sie für die Bereiche Unterricht und Kultur, sie war quasi die "Superministerin" in der Regierung der Französischen Gemeinschaft... "Sie sei wie ein Vogel aus der Luft geholt worden", so formulierte es Joëlle Milquet am Wochenende in der Zeitung Le Soir.
"Ich bin tatsächlich wieder da"
Seither: nichts mehr. Funkstille. Die Frau, die immerhin 20 Jahre Dauergast in sämtlichen Medien war, sie war mit einem Mal von der Bildfläche verschwunden. Bis zu besagtem Interview eben in der Zeitung Le Soir. Titel des Artikels: "Ja, ich bin tatsächlich wieder da".
Später meldete sich Joëlle Milquet auch im RTBF-Rundfunk wieder zurück. Naja, eigentlich wolle sie ja gar nicht so ein Buhei machen. Sie haben eben mal eine kleine Auszeit genommen nach dieser peinlichen Geschichte. Und jetzt, jetzt übernehme sie einfach wieder ihren Posten als Abgeordnete im Brüsseler Regionalparlament. Und damit das klar ist: Sie bitte um nichts, sie sei schließlich in das Brüsseler Parlament gewählt worden...
Wenn Joëlle Milquet jetzt aber doch das eine oder andere Interview zu ihrem "Comeback" gibt, dann, weil sie mehr zu sagen hat... Genauer gesagt: Sie will einige Dinge klarstellen. Andere würden sagen: Sie will abrechnen. Dafür, dass sie eigentlich nicht mehr viel dazu sagen will, zieht Milquet dann aber doch ziemlich vom Leder.
"Opfer der Justiz"
Punkt eins, und da gebe es kein Vertun: Sie sei in der Geschichte das Opfer. Ein Opfer der Justiz; genauer gesagt, so sagt Joëlle Milquet, "das Opfer eines Untersuchungsrichters, der kurz davor stand, eine andere Aufgabe zu übernehmen, und der sich zum Abschluss noch den Skalp einer Ministerin an den Gürtel hängen wollte". "Man hatte es auf mich abgesehen", sagt Milquet.
Nun könnte man behaupten, dass sich wohl die meisten Beschuldigten erstmal für unschuldig halten. Aber Stopp, sagt die CDH-Politikerin: Sie behaupte das ja nicht ohne Grund. Inzwischen habe man ihr offiziell mitgeteilt, welche Vorwürfe im Einzelnen gegen sie erhoben werden. Resultat: Hier geht's nicht um angebliche Phantomjobs, auch nicht um irgendeine Form von Veruntreuung. Nein, unterm Strich werfe man ihr das vor, was man jedem Minister vorwerfen könne, nämlich dass sie in ihrem Kabinett Mitarbeiter eingestellt habe, die der CDH nahestehen.
Mein Gott, ein Beraterstab, das sei doch keine Verwaltung, das sei "per se" ein politisch gefärbter Job, so Milquet. Hier werde ein Artikel des Strafgesetzbuches komplett verdreht, sagt Milquet. Und das im Übrigen zum ersten Mal überhaupt. Einige Politiker-Kollegen hätten angesichts dieser abstrusen Vorwürfe doch die Augen verdreht.
Man hört es schon: Die Frau hat nicht einen Funken von ihrem Kampfgeist verloren. Ob es allerdings so klug war, die Justiz frontal anzugreifen, das wird sich noch zeigen. Unglücklich war in jedem Fall das Timing: Seit zwei Tagen spricht alle Welt eigentlich nur noch über den drohenden Kahlschlag bei der ING-Bank. Das Comeback der Joëlle Milquet ist da doch ziemlich untergegangen...
Roger Pint - Archivbild: Thierry Roge/BELGA