Es sind schon ziemlich heftige Geschütze, die da aufgefahren werden. Ministerin Marie-Christine Marghem werden Fehler und Schlamperei vorgeworfen. Und das nicht zum ersten Mal. In diesem konkreten Fall sollen dem Staat bis zu vier Millionen Euro durch die Lappen gegangen sein. Weil die Atomabgabe, die Betreiber Electrabel zahlen muss, vereinfacht gesagt zu großzügig für den Konzern berechnet worden ist.
Die Aufsichtsbehörde für den Energiemarkt (Creg) hat Marghem bereits vor Monaten vor dem Problem gewarnt. Die Ministerin erklärte zunächst, erst im Sommer davon erfahren zu haben. Wie ein Schreiben der Creg, das dem BRF inzwischen vorliegt, aber beweist, hat das Aufsichtsgremium das Kabinett Marghem bereits im Oktober 2015 - also vor fast einem Jahr - auf das Problem aufmerksam gemacht. Und der Vorwurf lautet jetzt: Marghem hat einfach nichts getan.
Electrabel und das Mutterhaus EDF - inzwischen Engie - haben vergangenes Jahr rund sieben Millionen Euro an den Staat für den Betrieb des Meilers Tihange 1 gezahlt. Die Experten meinen aber, dass der Konzern mindestens 1,4 und bis vier Millionen Euro mehr hätte zahlen müssen - aufgrund eben einer faireren Berechnung der Atomabgabe.
Seit Jahresbeginn fordert die Aufsichtsbehörde, dass ein neutraler Gutachter die Sache prüft. Doch auch das hat Marghem nicht getan. Den Experten hat sie erst am 16. September, also erst vor gut einer Woche, beauftragt. Und jetzt kommt der Haken: Das war ein Tag zu spät, nämlich nachdem die Einspruchsfrist bereits abgelaufen war.
Rückhalt bröckelt
Inzwischen wächst der Ärger auch innerhalb der eigenen Partei. Marghem wird vor allem schlechte Aktenkenntnis vorgeworfen. Innerhalb der MR hält man sie hinter vorgehaltener Hand für zu arrogant. Nur kann sich die Partei eigentlich nicht leisten, die Ministerin aus der Regierung zu werfen und sie zu ersetzen. Obwohl Marghem schon lange als Wackelkandidatin auf dem Schleudersitz gilt.
Die frankophonen Liberalen haben seit Amtsantritt bereits zwei Minister austauschen müssen: Hervé Jamar und Jacqueline Galant. Ein dritter Postentausch bei insgesamt sieben Ministern, das wäre ganz schön viel. Deswegen wird jetzt eher erwartet, dass Marghem intern erneut einen ordentlichen Rüffel von Premierminister Michel erhält.
Möglicherweise wird es auch Umwälzungen in ihrem Mitarbeiterstab geben. Denn das Kabinett Marghem hat nicht unbedingt den besten Ruf in der Regierung. Aber inwiefern die Krise sich für die MR-Politikerin in den nächsten Stunden und Tagen zuspitzen wird, das ist noch sehr schwer zu sagen.
Momentan fällt es schwer, die Lage einzuschätzen. Die Opposition erhöht den Druck - und zwar spürbar. Sie hofft wohl, dass Marghem jetzt den Bock zu viel geschossen hat, und dass sie bald ihren Hut nehmen muss.
Alain Kniebs - Bild: Jasper Jacobs/Belga