Das Leben in Brüssel geht wieder seinen gewohnten Gang. Am Flughafen herrscht Hochbetrieb, die U-Bahnen fahren und auch über die ewigen Staus im Berufsverkehr ärgern sich die Brüsseler wieder nach Herzenslust. Doch der 22. März hat Spuren hinterlassen.
An der Gedenktafel in der U-Bahn-Station Maelbeek läuft kaum jemand achtlos vorbei. Schon beim kleinsten Gedanken an diesen schrecklichen Tag läuft es einem noch immer eiskalt den Rücken runter. Die höchste Terrorwarnstufe und die Abschottung im November, dann die Anschläge im März: Sie haben das Leben verändert. Das Freie, Unbekümmerte ist weg. So etwas wie Angst – wenn auch nur ganz klein – schwingt bei vielen mit.
"Ich habe nicht wirklich Angst", sagt dieser Student. "Aber ich bin vorsichtiger als früher, schaue mich immer um. Aber: Ich versuche nicht zu viel daran zu denken, was alles passieren könnte." Ein anderer Brüsseler fasst es so zusammen: "Das Leben geht weiter."
Opfer traumatisiert
Von den über 300 Verletzten der Anschläge liegt ein halbes Jahr später nur noch eine Person im Krankenhaus. Viele haben schwere Verletzungen davongetragen. Einige kämpfen mit psychologischen Problemen. "Nicht alle haben den Schock verdauen können", sagt Notfallseelsorgerin Cécile Plaas.
"Einige unserer Patienten waren so traumatisiert, dass sie sich nach den Anschlägen nicht mehr vor die Tür getraut haben. Andere haben wir begleitet, damit sie wieder mit der U-Bahn fahren", erklärt die Psychologin.
Acht Tatverdächtige in U-Haft
Unterdessen kommen die Ermittlungen voran. Die Täter sind größtenteils bekannt: Neben den Selbstmordattentätern El Bakraoui und Lachraoui gelten Mohamed Abrini – besser bekannt als "Mann mit Hut" – und Osama Krayem als die beiden noch lebenden Hauptverdächtigen. Ebenfalls in Untersuchungshaft sitzen sechs mutmaßliche Komplizen der beiden. Gefahndet wird weiter nach einem gewissen Oussama Atar, dessen Rolle bei den Brüsseler Anschlägen aber unklar ist.
Noch heute Auswirkungen auf Horeca
Die Folgen der Brüsseler Anschläge für die Wirtschaft und das öffentliche Leben sind auch ein halbes Jahr danach schwer zu erfassen. Kurz nach den Anschlägen ging die Zahl der Metro-Fahrgäste drastisch zurück, mittlerweile nutzen aber wieder so viele Fahrgäste die Brüsseler U-Bahn wie vor den Anschlägen, teilte der Brüsseler Nahverkehrsbetrieb STIB/MIVB mit.
Der Hotel- und Gaststättensektor sowie die Tourismusbranche haben hingegen noch immer mit den Folgen der Anschläge zu kämpfen. Zu diesem Schluss kommt Voka, das flämische Unternehmer-Netzwerk nach einer Mitgliederbefragung. In der Brüsseler Altstadt ist deutlich weniger los. Hotels und Restaurants im historischen Stadtkern bekommen die Folgen knallhart zu spüren, sagt Danny Van Assche vom Dachverband "Horeca".
In den ersten sechs Monaten des Jahres ging die Zahl der Übernachtungen in Flandern und Brüssel um eine Million im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück. Vor allem Touristen aus dem Ausland bleiben weg. Andere Wirtschaftszweige, wie die Metall- und Chemieindustrie, spüren kaum Konsequenzen aus den Anschlägen.
Flughafen Zaventem optimistisch
Am Brussels Airport schaut man optimistisch in die Zukunft. In den Sommermonaten Juli und August sind 4,7 Millionen Passagiere in Zaventem abgefertigt worden, knapp vier Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Der Rückgang sei auf weniger Touristen aus den USA und Asien zurückzuführen, sagt Flughafen-Chef Arnaud Feist.
Es sei jetzt wichtig, das Image Belgiens aufzupolieren. Das Chaos am Brüsseler Flughafen sei jedenfalls schon länger gelöst. Die Sicherheit wurde verschärft, die Abläufe verbessert.
Alles laufe jetzt so gut, dass Flughafen-Chef Feist beim Privatsender RTL ein starkes Versprechen macht: Für innereuropäische Flüge reiche es, 45 Minuten vor Abflug am Brussels Airport einzutreffen. Wer seinen Flug dennoch verpassen sollte, dem will der Flughafen ab dem Winter sein Ticket erstatten.
akn/sh/km - Bild: Nicolas Maeterlinck/Belga