Schon vor dem Prozess hatte der Angeklagte den Eindruck, bereits verurteilt worden zu sein. Von der Familie des Opfers, von der ermittelnden Staatsanwaltschaft und nicht zuletzt von der Presse, die ihn immer wieder als Mörder dargestellt hätten.
"Glauben Sie ernsthaft, dass ich nach dieser Schlammschlacht in den Medien gelassen sein kann?", fragte Bernard Wesphael die Reporter am Vormittag bei seiner Ankunft am Gerichtsgebäude. Er fügte hinzu, dass er außerhalb des Gerichts nichts sagen werde. Den Geschworenen werde er seine Wahrheit darlegen.
Was geschah wirklich am Abend des 31. Oktobers 2013 in Zimmer 602 im Hotel Mondo in Ostende? Seit der Tatnacht beteuert Wesphael seine Unschuld. Seine Frau habe nach einem begossenen Abend Selbstmord begangen, erklärten die Anwälte des ehemaligen Abgeordneten des Wallonischen Parlaments immer wieder.
Mord oder Selbstmord?
Die Staatsanwaltschaft dagegen geht von Tod durch Erstickung aus. Alle Indizien würden dafür sprechen. Außerdem sei Wesphael laut Gutachten als notorischer Lügner bekannt. Auch die Angehörigen der Toten, Véronique Pirotton, sind von der Mord-These überzeugt. Sie hoffe, dass Wesphael während des Prozesses psychologisch einbreche und dass er endlich die Wahrheit sage, sagte Nadine Pirotton, die Schwester der Toten im RTBF-Interview.
Die Verteidigung wird hingegen auf die Selbstmord-These setzen und den psychisch-labilen Zustand von Véronique Pirotton ins Feld führen. Pirotton und Wesphael sollen eine komplizierte, konfliktgeladene Beziehung geführt haben. Offenbar soll es bereits am Vorabend der Tat eine heftige Auseinandersetzung zwischen den beiden gegeben haben.
Was nun tatsächlich in Hotelzimmer Nummer 602 passiert ist, darüber müssen sich die Geschworenen in den kommenden drei Prozesswochen ihr Bild machen. Das Schwurgericht wurde am Donnerstagvormittag zusammengestellt. Sieben Männer und fünf Frauen bilden die Jury. Die Anklageschrift gegen Bernard Wesphael wird am Montag verlesen.
Alain Kniebs - Bild: Virginie Lefour/BELGA