"Kabbel-Kabinett - Dritte Staffel", frotzelte schon das flämische Massenblatt Het Laatste Nieuws. Diese Koalition war ja schon für ihre andauernden Streitereien bekannt. Jetzt, gleich zum Beginn des neuen politischen Jahres zeigt sich: Die Damen und Herren haben anscheinend nichts verlernt...
Die verschiedenen Steine des Anstoßes entstammen noch der Sommerpause. Insbesondere die N-VA hatte sich offensichtlich fest vorgenommen, den medialen Raum möglichst auszufüllen. Jedenfalls lancierten N-VA-Politiker in den letzten Wochen eine Idee nach der anderen. Beispiel Burkini-Verbot: Als der muslimische Ganzkörper-Badeanzug von einigen französischen Stränden verbannt wurde, sprach sich die N-VA-Abgeordnete Nadia Sminate gleich auch für ein allgemeines Burkini-Verbot in Belgien aus.
Mal abgesehen davon, dass sie damit ein Problem lösen wollte, das es bis jetzt in Belgien noch gar nicht gab, hier stellten sich auch juristische Fragen. Wie etwa sollte der Gesetzgeber unterscheiden zwischen einem Burkini und einem Neopren-Anzug, wie ihn etwa Surfer tragen. Das wurde irgendwann auch der N-VA klar: Anfang der Woche erklärte N-VA-Chef Bart De Wever höchstpersönlich, dass seine Partei - eben aufgrund dieser rechtlichen Bedenken - nicht mehr hinter einem Burkini-Verbot stehe.
"Was soll dieser Unfug?", wetterte jetzt der CD&V- Vorsitzende Wouter Beke. Da wird eine Idee nach der anderen in den Raum gestellt, Ideen, auf die dann alle anderen reagieren müssen - und dann zieht die Partei, die das Ganze anzettelt, am Ende gewisse Vorschläge auch noch zurück... Klar, dass sich der Bürger da die Frage stellen: Was ist das für ein Zirkus?
Michel: "Ich will kein belgisches Guantanamo"
Beke spricht von "Ballons", die gewisse Leute da regelmäßig haben aufsteigen lassen. Ein anderer dieser "Ballons", das war die Idee mit dem "Ausnahmezustand". Wieder die N-VA wollte die Möglichkeit schaffen, in Extremsituationen Terrorverdächtige "präventiv" festsetzen zu können, also bevor sie eine Straftat begangen hätten.
Das haben andere Länder auch schon probiert, gab jetzt aber der CD&V-Justizminister Koen Geens zu bedenken. Und eine solche Maßnahme sei ja auch verlockend, bis man feststellt, dass man Unschuldige eingesperrt hat. Rückendeckung bekam die CD&V hier vom Premierminister höchstpersönlich. Demokratische Grundprinzipien dürfe man nicht aushebeln. Beispiel: Bei einer Telefonüberwachung bedürfe es immer auch der Zustimmung eines Magistraten, so Charles Michel. Und dann fügte er mit seinem typischen freundlichen Lächeln in der VRT noch einen knallharten Satz hinzu: "Ich will kein belgisches Guantanamo", sagt Michel.
Streitpunkt Steuerpolitik
Damit erteilt Michel auch der N-VA-Idee eines belgischen "Patriot Acts" zumindest indirekt schon eine klare Absage... Doch beschränkt sich der Knatsch nicht nur auf den Bereich "Innere Sicherheit". Vor einigen Tagen lancierte der N-VA-Finanzminister Johan Van Overtveldt seine Idee einer Reform der Körperschaftssteuer. Die soll demnach von jetzt 34 auf dann 20 Prozent gesenkt werden. Van Overtveldt glaubt, dass sich diese Reform finanziell selbst tragen wird, da ja - im Gegenzug - neue Arbeitsplätze geschaffen würden...
"Das ist doch reines Wunschdenken", wetterte aber der CD&V-Vizepremier Kriss Peeters in der VRT. "Wie in Gottes Namen kann man davon ausgehen, dass eine Senkung der Körperschaftssteuer kein Loch ins Budget reißen wird. Wir stehen für eine gerechte und besonnene Haushaltspolitik", sagte Peeters.
Sicherheitspolitik, Steuerpolitik, nur zwei Beispiele, wo man den Roten Faden bei dieser Koalition derzeit nicht finden kann. CD&V-Chef Wouter Beke sieht darin aber kein grundsätzliches Problem: "Es gibt ein Regierungsabkommen, daran halten wir uns." Dafür müsse er aber immer noch nicht alles unterschreiben, was andere so erzählen...
Nichts desto trotz: Das Kabbel-Kabinett macht in diesen Tagen seinem Namen mal wieder alle Ehre. Da ist eine Opposition eigentlich fast schon überflüssig...
Roger Pint - Archivbild: Nicolas Maeterlinck/BELGA