"Fake or Fortune" - "Fälschung oder Reichtum": Der Name ist Programm. In dieser BBC-Sendung gehen Experten der Frage nach, ob es sich bei einem Kunstwerk um Ramsch handelt, oder ob der Käufer nicht doch einen "Jackpot" in Händen hält. Diesmal im Programm: Das Porträt eines Kindes, das einen Ball hält. Ein ausdrucksstarkes Bild, sagt der Moderator. Es kommt aus Belgien, es gehört Jan Starckx.
Die Geschichte von diesem Jan Starckx klingt fast unglaublich. Der Kunstliebhaber macht sich im Internet immer mal wieder auf die Suche nach schönen Reproduktionen von bekannten Kunstwerken. Auf einer belgischen Second-Hand-Seite findet er im November ein Bild, das ihn besonders fasziniert: Das Kind mit dem ausdrucksstarken Gesicht und leuchtend roter Jacke, das einen Ball in Händen hält.
Der Händler verlangt 450 Euro. Jan Starckx und seine Frau fahren nach Brüssel in den Laden des Verkäufers und erwerben das Bild.
Jan Starckx hatte aber von Anfang an ein Bauchgefühl: Es war die Unterschrift des Malers, die seine Neugierde geweckt hatte: "Wim Koonin"; klingt fast wie "Willem De Kooning", nur fehlt am Ende ein "g".
Ähnlichkeit mit Renée
Willem De Kooning ist ein bekannter niederländisch-amerikanischer Maler, der als einer der wichtigsten Vertreter des abstrakten Expressionismus' galt. Sein Name wird in einem Atemzug genannt mit dem etwa von Jackson Pollock.
"Könnte es sich bei seinem 450-Euro-Bild um ein Werk von Willem De Kooning handeln?", diese Frage lässt Jan Starckx nicht mehr los. Er recherchiert. Und siehe da: Er stößt auf das Bild: "Portrait von Renée", das ebenfalls Willem De Kooning zugeordnet wird. Und die Ähnlichkeit ist verblüffend. "Da wurde mir klar, dass ich da vielleicht einen echten Willem De Kooning habe", sagte Jan Starckx in der VRT.
Es fehlte aber eben der Beweis. Deswegen kontaktierte Jan Starckx die BBC-Fernsehsendung "Fake or Fortune". Und die Redaktion entschloss sich, dem Fall nachzugehen. In der BBC-Sendung werden weder Kosten noch Mühen gescheut, um einem Fall auf den Grund zu gehen.
Zusammen mit dem Ehepaar Starckx machte man sich auf nach Miami, Florida. Dort wird das "Porträt von Renée" aufbewahrt, das eindeutig Willem De Kooning zugeordnet wird. Und dann, eine erste Überraschung: Die Leinwand, die Rahmung, absolut gleich. Sogar das Etikett des Verkäufers ist identisch: Mommens, Brüssel.
Dazu muss man wissen, dass Willem De Kooning eine Zeitlang an der Königlichen Akademie der Schönen Künste in Brüssel studiert hat. Damals, 1924-25, wohnte er in Molenbeek. Das "Porträt von Renée" - das Bild, das ihm zweifelsfrei zugeordnet werden kann - malte er offenbar für seine Gastfamilie. "Wer weiß, aber vielleicht orderten Nachbarn oder Bekannte von dem Maler daraufhin auch ein Bild ihres Sohnes", so sagen die Experten. Das würde dann eben die Existenz des zweiten Gemäldes erklären.
Auch die Farben stimmen überein
Die Ähnlichkeit des verwendeten Materials ist aber erstmal nur ein schwaches Indiz. Danach gingen die Experten den beiden Bildern mit Hightech zu Leibe. Man begann, die Farben zu vergleichen, dazu benutzt man unter anderem die Spektralanalyse. Heraus kommt ein Diagramm mit Spitzen, die die einzelnen Pigmente charakterisieren. Und das Ergebnis sei dann doch ziemlich vielversprechend, sagt Jan Starckx: die Übereinstimmung der verwendeten Farben sei nahezu absolut. Der Experte, der die Untersuchung durchgeführt hat, der habe noch nie eine solche Deckungsgleichheit gesehen.
Ein definitiver Beweis ist das allerdings immer noch nicht. Um wirklich sicher zu sein, muss man nachvollziehen können, wo das Bild die letzten knapp 100 Jahre gewesen ist. Dem Ehepaar Starckx hat der Verkäufer nur gesagt, dass es wohl im Besitz der Familie des Jungen gewesen ist, der abgebildet ist.
Sollte es aber wirklich echt sein, dann schätzen die BBC-Experten den Wert auf bis zu 100.000 Euro. Bezahlt hat Starckx wie gesagt 450 Euro.
Erstmal denkt er aber nicht ans Verkaufen, vielmehr will er das Gemälde ausstellen - erst in seinem Wohnort Turnhout, dann in Molenbeek, wo das Bild höchstwahrscheinlich vor knapp 100 Jahren entstanden ist.
Roger Pint - Bild: BBC/Rolf Marriott