Soldaten in den Straßen, Soldaten, die vor Gebäuden Wache stehen, die durch Fußgängerzonen patrouillieren, ... Das sind Bilder, an die man sich irgendwie gewöhnt hat. Dabei vergisst man fast schon, dass der Einsatz von Soldaten im Straßenbild bis vor kurzem eigentlich laut Gesetz nur in absoluten Ausnahmefällen möglich war.
Erst die Regierung Michel weitete den rechtlichen Aktionsradius aus. Und kurz danach zog man dann auch schon diese Karte. Konkret: nach der Aushebung der Terrorzelle von Verviers.
Ernüchterung macht sich breit
"Operation Homeland" läuft jetzt schon seit mehr als anderthalb Jahren. Anfangs waren die meisten Soldaten auch noch ziemlich motiviert: Endlich, so hieß es damals, können wir den Bürgern mal zeigen, wofür die Streitkräfte gut sind.
Dieser Enthusiasmus weicht aber inzwischen mehr und mehr der Ernüchterung. Viele der Jungs haben es satt, sagen die Gewerkschaften. Patrick Descy von der CGSP meint: "Hier handelt es sich um hochqualifizierte Soldaten, die für Kampfeinsätze im Ausland ausgebildet wurden. Stattdessen müssen sie jetzt vor Gebäuden herumstehen, und sind in dem Sinne vergleichbar mit simplen Mitarbeitern einer Sicherheitsfirma."
Und weiter: "Die Soldaten haben natürlich alle Zeit der Welt, ihre Situation mit der anderer Sicherheitsdienste zu vergleichen. Das fängt an beim Gehalt oder bei den Prämien." Man muss vielleicht auch mal über Dinge wie das Wetter sprechen: Die Soldaten müssen in voller Kampfmontur in der prallen Sonne stehen, Polizisten haben Sommerkleidung. All das führt zu Unzufriedenheit.
Und dann kommt immer der Gedanke: 'Ich bin doch nicht zur Armee gegangen, um durch die Straßen von Charleroi oder Lüttich zu spazieren'. "Man muss sich das mal vorstellen", sagt CGSP-Gewerkschafter Descy,"es gibt Soldaten, die seit zwei Jahren dabei sind, und die bislang nur in Belgien im Einsatz waren."
Viele negative Seiten
Man ist nicht im Ausland, aber die Bedingungen, die sind die gleichen. Dieses Paradox ist für die Soldaten anscheinend besonders schwer zu verstehen.
"Wir müssen hier mal mit einer Legende aufräumen", sagt Gilles Van Oosthuijze von der Gewerkschaft SLFP: "Die negativen Seiten der Mission Homeland, die sind absolut vergleichbar mit einem Einsatz in Mali oder Afghanistan. Die Jungs sind fünf Wochen am Stück im Einsatz, sie sind kaserniert, dürfen ihre Familien nicht sehen. Und das ist umso frustrierender, wenn sie doch nur einen Steinwurf von zu Hause weg sind."
Was das Paradox noch verstärkt: Für das Familienleben der Soldaten ist es so, als wären sie in Mali - nur, weil sie eben nicht in Mali sind, sondern in Belgien, bietet die Armee auch nicht die begleitenden Strukturen an, die bei Auslandsmissionen üblich sind. Zum Beispiel Gespräche über Funk oder über Skype.
Gewerkschaften: So kann es nicht weitergehen
Das ist die Lage seit mittlerweile eineinhalb Jahren. Einige der Soldaten haben im vergangenen Jahr auf ihren Urlaub verzichten müssen, in diesem Jahr wird das wohl auch wieder so sein. In einigen Einheiten wurden jetzt schon Stellen eingerichtet, wo die Soldaten und ihre Familien Hilfe bekommen können.
In Belgien herumstehen, und das unter schlechteren Rahmenbedingungen als bei einer Auslandsmission: Einige Soldaten haben die Armee deswegen schon verlassen, sagen beide Gewerkschafter. So könne es nicht weitergehen, zumal Homeland ja anscheinend zu einer Art "unendlichen Mission" werde.
Roger Pint - Bild: Kristof Van Accom/BELGA