Die Französische Gemeinschaft hat ein dickes Problem. Ende 2018 wird es an den frankophonen Unis schätzungsweise etwa 1.800 Medizin-Absolventen geben. Für die Wallonie und Brüssel sind aber nur 492 Zulassungen - sogenannte Inami-Nummern - vorgesehen. Die braucht man als Arzt, damit den Patienten die Kosten für Sprechstunden und Medikamente zurückerstattet werden.
Passiert nichts, werden also rund 1.300 angehende Ärzte in die Röhre schauen. "Und dann bleiben nicht so viele Möglichkeiten. Die Richtungen, die man auch ohne Inami-Nummer machen darf, sind Gerichtsmedizin, Schulmedizin, Arbeitsmedizin - und für Firmen oder die Krankenkassen selbst zu arbeiten. Eine andere Möglichkeit wäre, ins Ausland zu gehen. Aber wenn man einmal keine Inami-Nummer hat, kriegt man die auch später nicht mehr", erklärte die ostbelgische Ärztin Céline Robinet schon Ende 2014 im BRF.
Das Problem im Süden des Landes besteht seit Jahren. Flandern hingegen hat die Sache im Griff. Und hält sich brav an die vom föderalen Gesundheitsministerium vorgegebenen Quoten. Durch eine Zulassungsprüfung vor Beginn des Medizinstudiums wird die Anzahl Studenten auf die verfügbaren Inami-Nummern abgestimmt.
Im Süden des Landes dagegen haben Politik und Unis den Numerus clausus aufgegeben und jeden Medizin studieren lassen, der das wollte. Die Folge: deutlich zu viele Studenten. Letztlich waren es so viele, dass der wallonische Hochschulminister Jean-Claude Marcourt (PS) die Notbremse ziehen musste.
Studenten ziehen vor Gericht
Überstürzt wurde ein Wettbewerb nach dem ersten Studienjahr eingeführt. Nur die 600 Bestplatzierten dürfen danach weiterstudieren. Im Juni fand der Wettbewerb zum ersten Mal statt und sorgte prompt für ein neues Problem. An den Medizin-Fakultäten gibt es nämlich Studenten, die alle Prüfungen und damit ihr erstes Studienjahr bestanden haben, allerdings nicht unter den Bestplatzierten des Wettbewerbs sind.
Weil sie ihr Studium jetzt theoretisch aufgeben müssen, haben Betroffene der Unis Namur und Lüttich dagegen geklagt. In einer ersten Stellungnahme scheint der Staatsrat ihnen Recht zu geben: Die Wettbewerbsprüfung für Mediziner in der Französischen Gemeinschaft entbehre jeglicher Grundlage. Sollte die Regelung gekippt werden, droht das völlige Chaos.
"Eine endgültige Entscheidung wird es wohl erst Mitte September geben", beklagt Maxime Mori vom Verband französischsprachiger Studenten FEF. Bis dann dauere die absolute Ungewissheit an. Konkret heißt das: Mehrere Hundert Medizinstunden im Süden des Landes wissen nicht, ob sie ihr Studium aufgeben müssen, das Jahr wiederholen können oder möglicherweise doch im zweiten Jahr weitermachen dürfen.
Gemeinschaftspolitischer Zündstoff
Die Anzahl Arzt-Zulassungen kann die Französische Gemeinschaft nicht einfach so erhöhen. Dazu bedarf es mühseliger Verhandlungen auf föderaler Ebene. Und auf flämischer Seite ist man bislang nicht bereit, am Verteiler-Schlüssel zu rütteln, wie Rik Torfs, Rektor der Uni Löwen, deutlich macht.
Die Flamen hätten sich stets an die Obergrenze gehalten, sagt Torfs. Durch die Zulassungsprüfungen habe man sogar junge Leute am Medizinstudium gehindert. Die Frankophonen dagegen hätten die Quoten nie eingehalten und jetzt 1.300 angehende Ärzte zu viel.
Hinzu kommt ein weiteres Problem für die Frankophonen: Die meisten entscheiden sich für ein Facharztstudium. In ländlichen Gebieten zeichnet sich aber schon ein Hausärztemangel ab.
Alain Kniebs - Bild: Aurore Belot/Belga