In der flämischen Presse ist es DAS Dauerthema, kein Tag vergeht ohne neue Enthüllungen in der Optima-Affäre. Am Mittwoch wurde bekannt, dass nach dem Konkurs der Bank mindestens 20 Millionen Euro an Schulden übrigbleiben werden, Schulden unter anderem in Form von ausstehenden Zahlungen an die Mitarbeiter.
Es ist ein Scherbenhaufen - nur, um es gleich vorwegzunehmen: ein kleiner Scherbenhaufen. Optima war kein Big-Player, der Konkurs ist nicht im Ansatz vergleichbar mit Pleiten wie der von Dexia oder von Fortis. Und, im Gegensatz zur Bankenkrise vor knapp zehn Jahren, muss diesmal auch nicht der Steuerzahler für den Schaden aufkommen. Dafür gibt es inzwischen einen Garantiefonds, der von den Banken gespeist wird.
Doch, apropos: Wirklich alle Lehren scheint man nicht aus eben besagter Bankenkrise gezogen zu haben. Das zumindest beklagen gleichermaßen Politiker aus Mehrheit und Opposition. "Wir hören, dass die Aufsichtsbehörden Optima schon seit Jahren immer wieder auf die Finger geklopft haben", sagte der SP.A-Vorsitzende John Crombez. Da stellt sich dann allerdings die Frage, warum man da nicht resolut eingegriffen hat. Deswegen fordert der Sozialistenchef auch einen Untersuchungsausschuss.
Viele Verstrickungen
"Ausgerechnet die 'Sozis' wollen einen Untersuchungsausschuss", trompeten da aber schon die politischen Gegner. Denn in der Tat: Die SP.A ist da in einer ziemlichen peinlichen Lage. Der Geschäftsführer der Optima-Bank, das war nämlich jahrelang ein gewisser Luc Van den Bossche. Und eben dieser Luc Van den Bossche war in einem früheren Leben mal SP.A-Minister, die rote Parteikarte hat er immer noch.
"Ist mir egal", sagt der heutige SP.A-Chef aber vollmundig. Ob es hier nun um ehemalige Parteimitglieder geht oder nicht, wichtig sei nur, dass in dieser Sache Klarheit geschaffen wird. Und ausnahmslos alle, die in dieser Akte Fehler gemacht haben, nun, die müssen dafür gerade stehen.
In vielen Ohren klingt das wie die Flucht nach vorn. Das Problem ist aber, dass da in Flandern kaum jemand so unschuldig wäre, dass er den ersten Stein werden dürfte. Mal abgesehen von den Grünen ist die Geschichte für alle mehr oder weniger peinlich. Die liberale OpenVLD etwa steht am Pranger wegen der Person Geert Versnick. Der steht stellvertretend für eine Interessenverquickung wie aus dem Lehrbuch.
Vernick saß im Verwaltungsrat von Optima. Er war aber zugleich Teil der ostflämischen Provinzregierung. Als Optima bei der Provinz um Geld betteln ging, da saß Versnick als Vertreter eben dieser Regierung mit am Tisch. Dass er da irgendwie befangen gewesen wäre, nun, er sieht das nicht so, er ist da allerdings der einzige.
Die Nationalbank in der Kritik
Dieser Fall ist aber nur ein Beispiel für die zahlreichen Verstrickungen zwischen Politik und Hochfinanz, die diese Affäre eben so explosiv machen. Es gab Zeiten, da gaben sich Politiker bei Optima die Klinke in die Hand, jeder zeigte sich gerne mit dem schillernden Optima-Chef Jeroen Piqueur. Das mag wohl ein Grund dafür sein, dass jetzt besonders viele Pfeile auf die Nationalbank abgeschossen werden.
Nur muss man sagen: Über die Rolle der Aufsichtsbehörden sind durchaus Fragen erlaubt. As Optima 2010 eine Banklizenz beantragte, da wurde dieses Gesuch erst einmal von der zuständigen Kontrollbehörde CBFA abgelehnt, später gab es dann doch Grünes Licht von der Nationalbank. Deren damaliger Gouverneur, Luc Coene, der hat dafür aber eine Erklärung: Die CBFA habe keine juristisch wasserdichten Argumente gehabt, um die Vergabe einer Banklizenz an Optima zu verweigern. Sie sei da eher ihrem Bauchgefühl gefolgt. In einem Rechtsstaat gehe so etwas aber nicht.
Nur muss Coene zugeben, dass gleich danach schon die Probleme anfingen. Nachdem Optima über die Übernahme der Ethias-Bank ins Bankgeschäft eingestiegen war, musste man das Geldhaus ständig zur Ordnung rufen. Und das haben wir auch gemacht, sagt der heutige Nationalbankchef Jan Smets. Nur kamen die Verantwortlichen diesen Auflagen immer nur halbherzig nach. deswegen habe man denn auch irgendwann die Reißleine gezogen und Optima die Banklizenz wieder entzogen. Da war es aber offensichtlich längst zu spät.
Frage ist also: Haben die Aufsichtsbehörden versagt? Waren es nicht auch die Verstrickungen zwischen Optima und der Politik, die ein rigoroses Eingreifen letztlich indirekt verhindert haben. So wie es aussieht, könnte sich bald ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit diesen Fragen beschäftigen. Sicher ist aber: Die Antworten werden mitunter wenig ruhmreich sein.
belga/vrt/jp - Foto: Nicolas Maeterlinck/BELGA
Da bestätigt sich mal wieder die alte Redensart : Pecunia non olet („Geld stinkt nicht“) . Und Geld hat weder ein Vaterland noch eine Parteifarbe.
(AdR: Beim Kommentarschreiber handelt es sich nicht um Marcel Scholzen aus Losheimergraben.)