"Politischer Mord schockiert England", titelt De Morgen. "Der Mord an einer Politikerin überschattet die Brexit-Debatte", schreiben De Standaard und La Libre Belgique auf Seite eins. "Angesichts des Horrors werden die Wahlkampagnen zum Brexit-Referendum unterbrochen", so die Schlagzeile von L'Echo.
Die 41-jährige Politikerin Jo Cox wurde gestern auf offener Straße niedergeschossen und -gestochen. Sie erlag später im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen. Cox saß für die Labour-Partei im britischen Parlament und war bekannt für ihr Engagement für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union. Der Täter soll "Britain first" gerufen haben, "Großbritannien zuerst". Das ist nicht nur der Name einer rechtsextremen Partei, sondern mag auch schlichtweg darauf hindeuten, dass er eben für den Brexit ist, den Austritt aus der EU. "Wurde diese Frau ermordet, weil sie für Europa war?", fragt sich Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Le Soir kann jedenfalls nur feststellen, dass "sich die Debatte über den Brexit zum Drama entwickelt". Het Nieuwsblad spekuliert seinerseits schon über die möglichen Folgen und spricht von einem "Mord, der die ganze Brexit-Debatte beeinflussen kann".
Politiker-Mord in Großbritannien: ein Zeichen der Zeit
Der Mord an Jo Cox ist der traurige Höhepunkt eines Wahlkampfes, der schmutziger und ekelhafter nicht sein könnte, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Sachliche Argumente werden da längst nicht mehr ausgetauscht, beide Lager werfen sich gegenseitig nur noch Lügen, Anschuldigungen und Übertreibungen an den Kopf. Noch nie wurde in diesem eigentlich toleranten und multikulturellen Land, das für seine zivilisierten politischen Debatten bekannt ist, ein derart unterirdisches Niveau erreicht. Es ist wohl ein Zeichen der Zeit. Überall, so hat man den Eindruck, brechen alle Dämme. Donald Trump ist da nur ein Beispiel. Der Sarg von Jo Cox kann nicht nur den Ausgang des Referendums beeinflussen, er sollte allen Beteiligten vor allem eine moralische Warnung sein.
Der politische Fallout der Optima-Pleite
Vor allem in Flandern sorgt die Pleite der Optima-Bank weiter für Schlagzeilen. Das Genter Geldhaus wurde vorgestern vom zuständigen Handelsgericht für Konkurs erklärt. Experten hatten schon seit Jahren genau das prophezeit; außerdem liefen diverse Ermittlungen gegen die Bank.
In diesem Zusammenhang erheben die flämischen Liberalen jetzt schwere Vorwürfe gegen die sozialistische SP.A. "OpenVLD attackiert SP.A-Chef John Crombez", notiert Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Ein liberaler Abgeordneter stellt sich jedenfalls die Frage, ob John Crombez in seiner Eigenschaft als früherer Staatssekretär für Betrugsbekämpfung nicht Einfluss auf Ermittlungen genommen hat. 2011 habe die Steuerfahndung ISI eine Untersuchung gegen Optima eingeleitet. Nach einem Besuch von Staatssekretär Crombez in dem Unternehmen sei dann aber nichts mehr passiert. Crombez selbst spricht von "unwürdigen Unterstellungen".
"Die Optima-Affäre stinkt mehr und mehr zum Himmel", kann jedenfalls Het Nieuwsblad nur feststellen. In der Kritik steht hier auch die Nationalbank, die trotz aller Hinweise auf Unregelmäßigkeiten den Optima-Chef Jeroen Piqueur gewähren ließ. Und auch für die politische Klasse ist die Optima-Pleite eine peinliche Angelegenheit. Politiker aus Gent gaben sich im Aufsichtsrat der Finanzgruppe buchstäblich die Klinke in die Hand, Hauptgeschäftsführer war jahrelang der ehemalige SP.A-Föderalminister Luc Van den Bossche.
Die Pleite der Optima-Bank ist auch eine Pleite für die Sozialisten und Liberalen in Gent, meint Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Bis vor kurzem zeigten sich die Blauen und die Roten noch sehr gerne mit dem schillernden Jeroen Piqueur. Liberale und Sozialisten gingen in der Chefetage von Optima ein und aus. Abgesehen von der Frage, inwieweit sie das mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten, muss jetzt auch geklärt werden, in welchem Maß sie für das Debakel mitverantwortlich sind.
"Wie ist es möglich?", fragt sich resigniert De Morgen in seinem Kommentar. Wie ist es möglich, dass so viele Politiker und sonstige vernünftige Menschen sich derartig haben blenden lassen vom Glitter und Glamour des Optima-Chefs? Und gerade für die Sozialisten unter ihnen wird diese Nähe jetzt ziemlich unangenehm. Was hatten Sozialisten, noch dazu so viele, im Schatten von Privatjachten und Luxuslimousinen zu suchen? Wie ist es möglich?
Bart De Wevers Maske ist gefallen
Einige frankophone Zeitungen kommen zurück auf das Aufsehen erregende Interview von N-VA-Chef Bart De Wever im Wochenmagazin Knack. Darin geht De Wever mit den Frankophonen ungewöhnlich hart ins Gericht. Die Maske ist definitiv gefallen, meint dazu La Dernière Heure. Nach dieser Lawine an Beleidigungen kann jedenfalls kein Politiker aus dem Süden des Landes noch behaupten, nicht um die Pläne und Absichten der Nationalisten gewusst zu haben.
Einige müssen dabei aufpassen, nicht unfreiwillig zu Verbündeten der N-VA zu werden, warnt La Libre Belgique. Wenn De Wever etwa grinsend anmerkt, dass die streikenden Wallonen jeden Tag beweisen, dass die N-VA Recht hat, dann ist da durchaus was dran. Das heißt nicht, dass die Gewerkschaften sich künftig von der Föderalregierung alles gefallen lassen müssen. Sie sollten aber die Streikwaffe besonnener einsetzen.
Radsport und Fußball
Insbesondere für Radsportfreunde bringt Het Nieuwsblad heute wohl eine Knaller-Meldung: "Revolution bei der Flandern-Rundfahrt", titelt das Blatt. Wichtigste Neuerung: Der Startschuss für den Frühjahrsklassiker wird in den nächsten fünf Jahren in Antwerpen fallen.
Schließlich blicken einige Zeitungen schon auf den morgigen EM-Tag: "Wilmots ist das Lachen vergangen, er rüttelt die Roten Teufel auf", schreibt La Dernière Heure. Morgen Nachmittag bestreiten die Roten Teufel ihr zweites Gruppenspiel gegen Irland. Im ersten Spiel hatte die Nationalelf ja ziemlich enttäuscht, vor allem Kevin De Bruyne wirkte kraftlos. Frage denn auch auf Seite eins von Het Nieuwsblad: "Bleibt De Bruyne auf der Bank?"
Roger Pint - Foto: Daniel Leal-Olivas/AFP