"Gleich schon zittern bis zur letzter Minute", titelt Gazet van Antwerpen. "Frankreich hat so gerade noch die Kurve gekriegt", so die Schlagzeile von L'Avenir. "Frankreich mit Last-Minute-Sieg", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins.
Beim Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich hat der Gastgeber nur ganz knapp mit 2:1 gegen Außenseiter Rumänien gewonnen. Der erlösende Siegtreffer fiel erst in der 89. Minute. "Weltklassetor rettet Frankreich", notiert Het Nieuwsblad. "Und der Schütze, Dimitri Payet, der ist jetzt der Held einer ganzen Nation", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins.
Last-Minute-Sieg ohne Stimmung?
Het Laatste Nieuws bringt aber auf seiner Titelseite ein anderes Ergebnis: "1:0 - Sicherheit eins, Stimmung null". Die Zeitung kann nur feststellen, dass gestern Abend nicht wirklich Feierlaune aufkommen wollte. Trotz der Sache, dass "les Bleus" auf dem Platz standen, kamen nur 20.000 Fußballbegeisterte zur Fanmeile am Fuße des Eiffelturms. Der Platz fasst eigentlich 90.000 Menschen.
"Wie soll man sich amüsieren, wenn überall schwerbewaffnete Sicherheitskräfte stehen?", sagt ein Fan. Het Nieuwsblad hat das offensichtlich ganz anders gesehen: "Ein großes Fest", schreibt das Blatt. Von den Streiks oder der terroristischen Bedrohung sei in Paris nichts zu spüren gewesen.
Gazet van Antwerpen hat derweil den Abend mit rumänischen Fans verbracht. "Was für ein Jammer, dieses letzte Tor", so der allgemeine Tenor im Café Venedig von Antwerpen. Die Rumänien-Fans waren jedenfalls bitter enttäuscht. "Wir hoffen aber weiter auf ein Finale zwischen Belgien und Rumänien".
"Sind Sie bekloppt?"
Gazet van Antwerpen bringt heute eine weitere Geschichte über eine Kneipe in Holland, die zu hundert Prozent mit den Roten Teufeln mitfiebert. Das "Café Anvers" in Tilburg ist voll und ganz in schwarz-gelb-rot gehalten. Über der Theke hängt eine Fahne mit der Aufschrift "Go Belgium". Und das mitten in Holland. Das gefällt nicht allen Stammgästen. "Ich fahre fünf Wochen in Urlaub", sagt einer von ihnen.
Das Café Anvers ist ja kein Einzelfall. Auch etwa in Maastricht hatte eine Kneipe buchstäblich die Seite gewechselt. Die nördlichen Nachbarn tun sich aber schwer damit, plötzlich die Roten Teufel anzufeuern. "Für Belgien jubeln? Sind sie bekloppt?", schreibt Het Laatste Nieuws und bringt damit die Meinung vieler Holländer deftig auf den Punkt.
Die Belgier haben derweil ihren ersten Knatsch, nachdem Nationaltrainer Marc Wilmots gestern den Abwehrspieler Nicolas Lombaerts ausgemustert hat. "Die Lombaerts-Polemik", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins. "Ich glaube nicht, dass ich mir die Spiele im Fernsehen anschaue; das tut einfach zu weh", sagt Nicolas Lombaerts in Het Laatste Nieuws.
Streik oder nicht Streik?
"Die Bahngewerkschaften setzen auf den diplomatischen Weg", titelt derweil Le Soir. Die sozialistische Gewerkschaft CGSP hat den für die kommende Woche geltenden Streikaufruf erstmal zurückgezogen. "Die Züge fahren wieder", freut sich auch Het Laatste Nieuws. Im Raum steht aber weiterhin ein Streikaufruf ab dem 19. Juni. Bis Ende nächster Woche müssen Direktion und Gewerkschaften bei der Bahn also ihre Meinungsverschiedenheiten über die Erhöhung der Produktivität beigelegt haben.
Bei der Post wird derweil am Montag gestreikt. Das ist unter anderem eine Reaktion auf das Bekanntwerden von Verhandlungen zwischen bpost und dem niederländischen Konkurrenten Post NL. Bpost wollte anscheinend Post NL übernehmen. "Wenn bpost so erfolgreich ist, dann bezahlen die kleinen Postboten aber die Zeche dafür", schreibt De Standaard. Anders gesagt: Die Mitarbeiter finden, dass bpost nur an seine Geschäftsergebnisse denkt und das auf Kosten des Personals.
Das stimmt aber nur halb, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Natürlich verdienen die Postmitarbeiter die Anerkennung ihrer Direktion für die geleisteten Anstrengungen. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass die Zukunft des Unternehmens noch nicht gesichert ist, bei weitem nicht. Vor diesem Hintergrund ist es legitim, dass sich bpost einen starken Partner sucht. Einen langen Sozialkonflikt kann sich das Unternehmen jedenfalls nicht leisten.
Regierung braucht "soziales Mitgefühl"
De Standaard kann seinerseits aber nur feststellen, dass den Gewerkschaften offensichtlich ein wenig die Puste ausgegangen ist. Bei der SNCB liegt die Streikankündigung auf Eis. Auch mehr und mehr frankophone Gefängniswärter nehmen angesichts ihrer aussichtslosen Lage die Arbeit wieder auf. Es ist vielleicht nur eine vorübergehende Kampfpause. Doch sollte die Regierung diesen Moment nutzen. Schließlich steht ja schon bald eine vermutlich sehr schwierige Haushaltsrunde an. Dabei muss die Koalition aber nicht nur Ehrgeiz und Tatkraft an den Tag legen, sondern auch Einheit und soziales Mitgefühl.
Het Belang van Limburg sieht das genauso. Die Regierung sollte nicht glauben, dass sie das Kräftemessen mit den Gewerkschaften schon gewonnen hätte. Bei den anstehenden Haushaltsberatungen wird man für die nächsten zwei Jahre bis zu neun Milliarden Euro finden müssen. Das wird ohne Zweifel wehtun. Die Regierung wäre gut beraten, dabei den Eindruck aus der Welt zu schaffen, dass immer nur der Kleine Mann die Zeche zahlen muss. Dieses Gefühl der Ungerechtigkeit liefert den Gewerkschaften nur ein Alibi, um gegen die teilweise durchaus richtigen Reformen zu Felde zu ziehen.
Zwei Mal "Nase voll"
CD&V-Chef Wouter Beke hat aber offensichtlich die Nase voll von der Dauerkritik vonseiten der Gewerkschaft. "Die Gewerkschaften sollten damit aufhören, ihre Mitglieder gegen die Regierung aufzuhetzen", sagt Beke in Het Laatste Nieuws und stellt dabei eine wohl gewagte These in den Raum: "Diese Regierung ist sozialer als ihre Vorgängerin". In La Libre Belgique verspricht Wouter Beke dennoch "soziale Korrekturen" im Rahmen der anstehenden Haushaltsberatungen. Unter anderem zeigt er sich dabei offen für eine Vermögenssteuer.
Die sozialistische Opposition, genauer gesagt die frankophone PS, ist derweil weiter mit sich selbst beschäftigt. Die Zeitung Le Soir hatte vor einigen Tagen berichtet, dass offensichtlich der parteiinterne Widerstand gegen den Vorsitzenden Elio Di Rupo immer größer wird. Der eine oder andere spiele da sogar mit Putsch-Gedanken. "Es gibt nur einen Kapitän bei der PS", antwortet Elio Di Rupo aber heute in L'Écho. Und er scheint sogar seine vermeintlichen Gegner herauszufordern: "Ich schließe nicht aus, dass ich noch einmal für meine eigene Nachfolge kandidieren werde", so Di Rupo.
Türkische Propaganda
"Die 70 Moscheen von Erdogan in Belgien", so die Titelstory von De Standaard. Hintergrund ist vor allem eine Feststellung: Die Türkei versucht, ihren Einfluss auf die Türken im Ausland zu stärken. Und das läuft auch über Diyanet, die wichtigste türkische religiöse Einrichtung in Belgien: Diyanet sei ein Propaganda-Kanal für die Türkei und Präsident Erdogan, schreibt De Standaard.
Roger Pint - Bild: Alain Jocard (afp)