Die Diskussion über die Zukunft des Landes und die Sanierung des Staatshaushalts sind die Hauptthemen der belgischen Tageszeitungen.
De Morgen bringt eine 24 Seiten umfassende Beilage, in der eine Bestandaufnahme des Landes auf allen Gebieten gemacht wird. Das Haushaltsdefizit beläuft sich inzwischen auf 19 Milliarden Euro. Jeder arbeitende Belgier trägt damit eine Schuld von 77.000 Euro. Der Schuldenberg wächst jede Stunde um nahezu zwei Millionen Euro.
In seinem Leitartikel schreibt das Blatt: Man muss BHV vergessen. Das dringende echte Problem ist der Zustand des Staatshaushalts. Die Staatskasse leert sich immer schneller. Die Gliedstaaten werden zu großzügig finanziert, die Sozialsicherheit braucht immer mehr Mittel, um die Vergreisung der Bevölkerung aufzufangen, und für die Staatsverschuldung muss das Land hohe Zinsen zahlen. Selbst wenn der Staat gründlich reformiert werden sollte, muss stark gespart werden. Auch neue Steuern sind nicht ausgeschlossen.
Die flämischen Liberalen haben auf ihrem Wahlkongress Sparmaßnahmen in Höhe von 22 Milliarden Euro angekündigt. Nur so könne man im Jahr 2015 wieder einen ausgeglichenen Staatshaushalt haben. Doch die VLD will, dass die Sparmaßnahmen zur Hälfte auf Gliedstaaten und Gemeinden abgewälzt werden. Der Föderalstaat müsse die andere Hälfte tragen.
Het Laatste Nieuws bemerkt dazu: Auf die frankophonen Parteien kann man für Einsparungen nicht zählen. Für sie ist nichts dringend. Weder die Staatsreform, noch der Haushalt. Auch auf die CD&V kann man nicht zählen, denn diese Partei ist nicht vertrauenswürdig. Die Liberalen sind einverstanden, fünf Milliarden im Staatsapparat und bei der Gesundheitsfürsorge zu sparen. Und die Sozialisten versprechen, bis zu 20 Milliarden durch eine echte Bekämpfung der Steuerhinterziehung aufzutreiben.
Auch Het Nieuwsblad untersucht die Vorschläge der VLD. Ihre Anregung, die Sparmaßnahmen zur Hälfte auf die Regionen und Gemeinschaften abzuschieben, wird von CD&V und N-VA abgelehnt. Sie haben festgestellt, dass Flandern in dem Fall sechs Milliarden einsparen müsste. Das ist ein Viertel des derzeitigen flämischen Haushalts.
Nach der Fernsehdebatte vom Wochenende zwischen flämischen und frankophonen Spitzenpolitikern stellt Het Belang van Limburg fest: Alle waren sich einig, dass eine neue Staatsreform unvermeidlich geworden ist, wenn man die grundlegenden Probleme des Landes anpacken will. Niemand stellte dafür Bedingungen, und niemand legte ein Veto ein. Zweifellos haben sich nach drei Jahren Krise auch im frankophonen Landesteil die Mentalitäten geändert, doch wenn man hört, dass die cdH-Vorsitzende Milquet die Sprachengrenze in Frage stellen will, ist das Schlimmste zu befürchten.
De Standaard meint: Die Frankophonen haben begriffen, dass das Land zerbricht, wenn sie keine Zugeständnisse machen wollen. Vielleicht haben sie sogar verstanden, dass eine Staatsreform, die den Gliedstaaten mehr Macht gibt, für beide Seiten besser ist. SPA, CD&V,VLD und Groen glauben, dass sie in der Lage sind einen annehmbaren Kompromiss mit den Frankophonen zu finden. Die N-VA ist in die Zange genommen. Sie können ihre Wahlversprechen nur verwirklichen, wenn sie tatsächlich mit den Frankophonen verhandeln.
Le Soir beschäftigt sich mit der N-VA-Forderung einer Umbildung des belgischen Staates in eine Konföderation. Eine Konföderation ist ein Zusammenschluss von Staaten, die aber ihre Souveränität behalten. Die Konföderation bedeutet also zunächst die Unabhängigkeit und dann auf gewissen Gebieten eine Kollaboration. Warum eigentlich nicht, wenn damit die Sprachkonflikte aus der Welt geschafft würden. Doch man sollte sich nicht zu früh freuen. Die Standpunkte haben sich nicht geändert.
La Libre Belgique unterstreicht: Es gibt wichtigeres als die Gemeinschaftspolitik. Die sozialwirtschaftlichen Probleme sind in diesem Wahlkampf kaum behandelt worden. Dabei geht es um eine kolossale Herausforderung. Man muss einen Sparplan entwerfen, der ausreicht, um die Staatsverschuldung einzudämmen, der aber nicht so hart ist, dass er jede Konjunkturverbesserung schon im Keim erstickt.