"Streik-Ende bei der Bahn... aber nur vorläufig", schreibt L'Echo auf Seite eins. "Eine Woche Pause, dann wieder Streik", titelt Het Nieuwsblad. "Tausende Studenten in der Prüfungszeit sind die Gelackmeierten", bemerkt Het Laatste Nieuws.
Die Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und SNCB-Leitung sind am Freitag erneut ergebnislos zu Ende gegangen. Die sozialistische CGSP hat ihre Mitglieder zum sofortigen Ende der wilden Protestaktionen aufgerufen, gleichzeitig aber eine offizielle Streikankündigung hinterlegt, die für die gesamte Woche vom 12. bis zum 19. Juni reicht. Ab Samstag sollen die Züge also wieder fahrplanmäßig unterwegs sein, Pendler und Bahnreisende müssen sich aber bald schon wieder auf schwere Behinderungen einstellen.
Het Nieuwsblad wirft den Bahngewerkschaften einen Tunnelblick vor. Die SNCB muss fit für die Zukunft gemacht werden. Wenn die Reaktion der Arbeitnehmervertreter auf kleine Eingriffe der Unternehmensleitung bereits so heftig ausfällt, dann illustriert das die Bunkermentalität der Gewerkschaften. Sie sperren sich gegen jede Art von Veränderung und Modernisierung. Einen Tunnelblick hat aber auch die Föderalregierung, die ihre Reformagenda für alternativlos hält. Die Zeitung fordert deshalb beide Seiten zu mehr Mut und Kreativität auf. De Standaard fügt hinzu: Die anhaltende Blockade bringt niemandem etwas. Vor allem die Wirtschaft wird in Mitleidenschaft gezogen. Auf das Kräftemessen muss jetzt eine Deeskalation folgen – und zwar so schnell wie möglich.
Zwei Eisen im Feuer?
L'Avenir wundert sich über die widersprüchlichen Signale, die die CGSP aussendet. Einerseits erklärte der Brüsseler Flügel der sozialistischen Bahngewerkschaft am Donnerstagabend, man werde den Streik beenden. Die wallonische Abteilung reichte wenige Stunden später eine neue Streikankündigung ein. Die Zeitung fragt sich, ob die CGSP hier zwei Eisen im Feuer hat, um auf der einen Seite die Bahnkunden nicht weiter zu verärgern und auf der anderen Seite die Hardliner an ihrer Basis bei der Stange zu halten.
Le Soir befürchtet allerdings, dass die Gewerkschaften mit einer weiteren Protestwelle bei der SNCB auch noch den letzten Rest Verständnis bei den schwer geprüften Fahrgästen verspielen.
Schluss mit den sinnlosen Protesten!
Het Belang van Limburg gibt zu bedenken: Wenn das Ziel dieser Streikaktionen der Sturz der Regierung Michel ist, dann kann dieses Vorhaben nur scheitern. Nur die N-VA wird aus der Situation Profit schlagen können. Streikende Wallonen und hart arbeitende Flamen: Dieses Bild werden die Nationalisten bei der nächsten Wahl ausschlachten, um ihr Konföderalismus-Modell erfolgreich unters Volk zu bringen. Das Blatt fordert: Schluss mit den sinnlosen Protesten, die nur das Image des Landes schädigen, die Bürger beeinträchtigen und den belgischen Unternehmen jeden Tag höhere Verluste bescheren.
De Standaard stellt sich die Frage, warum der Protest im Süden des Landes so viel heftiger ausfällt. Die Antwort der Zeitung: Viele Wallonen haben den Eindruck, doppelt bestraft zu werden, weil die wirtschaftliche Lage in der Wallonischen Region ohnehin schlechter ist als in Flandern.
Belgier wünschen sich zu viel vom Staat
Het Laatste Nieuws sieht ein generelles Problem. Viele Belgier wünschen sich, früh in Rente zu gehen, niedrige Steuern, hohe Pensionen, viel Urlaub, eine Top-Infrastruktur und am besten noch üppige Prämien für alles Mögliche. Jahrelang haben wir in dem Glauben gelebt, dass der Staat uns das alles geben kann. Die Folgen: ein aufgeblähter Verwaltungsapparat und eine gigantische Staatsschuld. Wir müssen der Wahrheit endlich ins Auge sehen: Der Staat muss schlanker werden, damit wir die Herausforderungen der Zukunft bewältigen können. Und die Regierung muss den Menschen endlich reinen Wein einschenken: Wenn Milliarden eingespart werden müssen, kann das nicht unbemerkt bleiben, unterstreicht Het Laatste Nieuws.
L'Echo meint: Was die Menschen auf der Straße in Wirklichkeit fordern, ist eine Perspektive, ein neues Zukunftsprojekt für Belgien. Das Wirtschaftsblatt schlägt zwölf konkrete Reformen und Infrastrukturprojekte vor, die das Land nach vorne bringen sollen. Dazu gehören ein neues U-Bahn-Netz für die Hauptstadt, Steuerreformen und deutlich vereinfachte Staatsstrukturen.
L'Avenir beschäftigt sich mit den Unwettern, die jetzt auch in Belgien ein erstes Todesopfer gefordert haben. Besonders groß fallen die Schäden in der Provinz Luxemburg aus.
"Ich werde mir die Hände nie wieder waschen!"
Het Laatste Nieuws schließlich ist vom Rote Teufel-Fieber gepackt. Eine Woche vor dem Start der Fußball-Europameisterschaft haben die Spieler der belgischen Nationalmannschaft gestern zehn Grundschulen im ganzen Land besucht. Unter anderem Eden Hazard, Kevin De Bruyne, Thibaut Courtois und Jan Vertonghen sorgten für strahlende Kindergesichter. Aber auch die Eltern waren ganz aus dem Häuschen. Auf den Schulhöfen wurde ausgiebig gekickt, getanzt und Autogramme gegeben. Ein Kind, das die Roten Teufel umarmt hatte, schwor danach: "Ich werde mir die Hände nie wieder waschen!"
Alain Kniebs - Bild: Thierry Roge (belga)