"Nach elf Jahren wieder eine Meisterfeier", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen. "Elf Jahre lang haben wir auf dieses Fest gewartet", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Ein Fest von Brügge bis Tongeren", notiert Het Belang van Limburg.
Der FC Brügge ist Fußball-Landesmeister. Die "Blauw-en-zwart" besiegten am Sonntag den unmittelbaren Konkurrenten RSC Anderlecht mit 4:0 und machten damit vorab die Meisterschaft klar. Zum letzten Mal hatte Club Brügge 2005 den Titel geholt. Die Meisterfeier konnte sich denn auch sehen lassen: Die Mannschaft wurde in einem offenen Bus durch die Stadt gefahren; danach wurde auf dem Marktplatz der Stadt gefeiert: "35.000 Brügger Verrückte", titelt Het Laatste Nieuws.
Der Meistertitel ist auch und vor allem ein Verdienst des Trainers, Michel Preud'homme. "Danke, Michel!", schreibt denn auch La Dernière Heure auf Seite eins. "War es sein letzter Tanz?", fragt sich aber L'Avenir. Ob Preud'homme weitermacht oder nicht, das ist nämlich noch offen. In zwei Wochen will der 57-Jährige seine Entscheidung bekanntgeben. "Bleib, Michel!", appelliert jedenfalls Het Nieuwsblad.
In Brügge brennt die Luft, in Anderlecht dagegen der Baum
Für einige Leitartikler ist der Triumph des FC Brügge gleichbedeutend mit einer handfesten Krise bei Rekordmeister Anderlecht. Anderlecht hat sein Händchen verloren, meint etwa La Dernière Heure. Jahrzehntelang hat der Brüsseler Club dem belgischen Fußball seinen Stempel aufgedrückt. Und jetzt wird der RSC schon zum zweiten Mal hintereinander ausgebremst, erst durch AA Gent, und dann eben durch Club Brügge. Dabei verfügte Anderlecht nach einhelliger Expertenmeinung über die beste Mannschaft. Der Punkt ist: Anderlecht hat keinen Plan, man schwelgt viel zu oft in Nostalgie und schaut einfach nicht nach vorne.
"SOS Sporting!", so resümiert es auch L'Avenir. Anderlecht tritt seit zwei Jahren auf der Stelle. Die Mannschaft, insbesondere die jungen Talente, entwickelt sich nicht mehr. Spätestens jetzt sollten die Verantwortlichen endlich der Realität ins Auge sehen: In Anderlecht brennt der Baum.
Krankschreibungswelle bei Gefängniswärtern
Innenpolitisch dreht sich weiter alles um die Proteste im Justizwesen. Zunächst der Streik der Gefängniswärter. Der geht inzwischen in die vierte Woche. "Viele Gefängniswärter sind plötzlich krank", unterstreichen in diesem Zusammenhang De Standaard und Het Nieuwsblad auf Seite eins. Demnach sind aktuell doppelt so viele Mitarbeiter krankgeschrieben wie in Normalzeiten. Damit wollen die Streikenden wohl allzu große Gehaltseinbußen vermeiden. "Das geht jetzt dann doch weit!", sagt ein Gefängnisdirektor in De Standaard.
Für Het Nieuwsblad ist das aber nur einer von zahlreichen Schatten, die über dieser Protestaktion liegen. Anderer Widerspruch: Die Streikenden geben an, in erster Linie an das Wohl der Häftlinge zu denken, je länger der Ausstand dauert, desto deutlicher wird aber, dass das Schicksal der Gefangenen so ungefähr das Letzte ist, woran die Wärter denken. Inzwischen ist offensichtlich, dass die Streikenden auf den Rücktritt des Justizministers hinarbeiten, vielleicht sogar auf den Sturz der Regierung. Angespornt werden sie insbesondere durch linksextreme Kräfte. Das haben in den 1980er Jahren auch schon mal Gewerkschaften in Großbritannien versucht. Und sind dabei gehörig auf die Nase geflogen.
Belgien bald auch noch ein "Schurkenstaat"?
Es brodelt aber nicht nur in den Gefängnissen. "Die Magistrate proben erneut den Aufstand gegen Koen Geens", titelt La Libre Belgique. Für L'Echo stehen sich "Magistrate und Regierung mit gezückten Messern gegenüber". In den letzten Tagen ist eine Reihe von Richtern und Staatsanwälten an die Öffentlichkeit gegangen, um die Sparpolitik der Regierung anzuprangern. Besonders bemerkenswert war der Auftritt des Ersten Präsidenten des Kassationshofes, Jean de Codt, in der RTBF. Der konnte nur feststellen, dass die Justiz inzwischen schlichtweg nicht mehr die Mittel habe, um ihren Auftrag auszuführen. "Belgien droht zum Schurkenstaat zu verkommen", warnte de Codt. "Die Justiz kann nicht mehr", konstatiert denn auch Le Soir.
Justizminister Koen Geens zahlte es den Magistraten aber mit barer Münze zurück, wie De Morgen auf seiner Titelseite berichtet. In einem offenen Brief rief er die Justizvertreter auf, sich künftig in der Presse zurückzuhalten.
Die Leitartikler reagieren gespalten auf den neuerlichen Konflikt zwischen der Exekutive und der Justiz. Jean de Codt ist dafür bekannt, dass er seine Worte stets auf der Apothekerwaage abwägt, bemerkt etwa La Libre Belgique. Insofern sind seine Aussagen mehr als bemerkenswert. Und die Regierung kann seine Warnung nicht einfach ignorieren.
Le Soir geht noch einen Schritt weiter. Nicht umsonst hat man bei der Justiz den Eindruck, dass die Politik die dritte Gewalt im Staat bewusst und gezielt verrotten lässt. Eine starke Regierung mag keine starke Justiz, handelt es sich doch um die einzige Institution, die gegen die Beschneidung von Freiheiten ankämpfen kann.
Einige flämische Leitartikler sehen das ganz anders. Bei der Justiz ist man offensichtlich durch die Bank reformunwillig, meint Het Laatste Nieuws. Und das führt zu den abenteuerlichsten Allianzen: Im Moment scheinen streikende Gefängniswärter, linke Gewerkschaften und der Erste Präsident des Kassationshofes, der ehrwürdige Ritter Jean de Codt, an einem Strang zu ziehen. Justizminister Koen Geens darf jetzt nicht nachgeben, so die Zeitung.
Mit seinem "Schurkenstaat"-Ausspruch stellt Jean de Codt allenfalls seine Weltfremdheit unter Beweis, glaubt auch De Standaard. Auch er spricht nur über Geld und Personal, das Wort "Reformen" nimmt er nicht in den Mund. Was für die Gefängniswärter oder die Mitarbeiter der Gepäckabfertigung am Flughafen gilt, das sollte man sich auch bei der Magistratur zu Herzen nehmen: Werdet flexibler und sucht nach Lösungen im Sinne des Gemeinwesens.
Roger Pint - Bild: Kurt Desplenter/BELGA