"Jetzt muss die Armee auch noch in den Gefängnissen ran", titelt De Standaard. "Soldaten ersetzen streikende Wärter", schreibt Le Soir. "Absolute Hölle in den Zellen", bemerkt La Libre Belgique. "Heftige Kritik an Notmaßnahme der Regierung", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad.
Ab heute werden rund 180 Soldaten in den Haftanstalten von Brüssel und der Wallonie eingesetzt. Sie sollen die seit zwei Wochen streikenden Gefängniswärter ersetzen. Die Soldaten werden Polizei und Zivilschutz unter die Arme greifen, um die Grundrechte der Häftlinge wie Duschen, Besuch und ein Spaziergang innerhalb der Gefängnismauern wieder zu ermöglichen.
Dass die Regierung nach zwei Wochen Streik auf die Armee zurückgreift, stößt auf heftige Kritik. Ein Gefängnisdirektor spricht von "Maßnahmen, die man nur aus der früheren DDR oder Nord-Korea kennt". Wie Het Nieuwsblad berichtet, sind die Soldaten es leid, Polizeiaufgaben übernehmen zu müssen. "Wir können nicht alles lösen, was die anderen Dienste nicht auf die Reihe kriegen", erklärt ein Sprecher der christlichen Militärgewerkschaft.
Het Laatste Nieuws meint: Wenn Probleme auftauchen, zieht die Regierung neuerdings die Armee-Karte. Jetzt bewachen schwerbewaffnete Soldaten nicht mehr nur unsere Flughäfen, Bahnhöfe und Einkaufszentren, sondern kommen auch noch in den Gefängnissen zum Einsatz. Das lässt nur einen Schluss zu, so die Zeitung: In diesem Land dreht nicht alles rund.
Minimaldienst im Streikfall gefordert
De Morgen hat kein Verständnis mehr für den Streik in den Haftanstalten. Die Wärter missbrauchen ihre Machtposition, was unhaltbare Zustände für die Gefängnisinsassen zur Folge hat. Das Blatt fordert deshalb die Einführung eines Minimaldienstes im Streikfall, wie er bereits in den Krankenhäusern besteht.
Genauso sieht es De Standaard: Der Minimaldienst ist keine Beschneidung des Streikrechts. Die Wärter und ihre Gewerkschaften müssen verstehen, dass ihre seit zwei Wochen andauernden Aktionen die Häftlinge besonders hart treffen. Auch wenn es sich um Straftäter handelt, es sind in erster Linie Menschen, die in diesen Tagen wegen der unhaltbaren Zustände leiden.
Gazet van Antwerpen fragt sich, warum der Protest in den wallonischen und Brüsseler Haftanstalten viel heftiger ausfällt als in Flandern. Man wird den Eindruck nicht los, dass im Süden des Landes politische Motive mitspielen. Das macht das Ganze noch viel schlimmer. Die Zeitung findet das letzte Angebot von Justizminister Koen Geens, der die Einstellung von 400 zusätzlichen Wärtern vorgeschlagen hat, fair. Darauf sollten die Streikenden eingehen und ihre Arbeit wieder aufnehmen.
De Standaard hält fest: Die aktuellen Probleme haben strukturelle Ursachen: Unsere Gefängnisse sind in einem schlechten Zustand und seit Jahren hoffnungslos überbelegt.
De Morgen fügt hinzu: Es ist dasselbe Paradox wie bei den fehlenden Mitteln für Polizei und Geheimdienste: Trotz der hohen Steuern schafft der Staat es nicht, seine Grundaufgaben zufriedenstellend auszuführen. Den Grund dafür will niemand offen aussprechen, aber unsere komplizierte und aufwendige Staatsstruktur mit Gemeinschaften, Regionen und Provinzen kostet sehr viel Geld.
Start der Sozialwahlen
"In Belgien starten heute die Sozialwahlen", titelt L'Avenir. Fast zwei Millionen Arbeitnehmer sind aufgerufen, neue Gewerkschaftsvertreter zu bestimmen. Rund 7.000 Unternehmen im Land sind von den Sozialwahlen, die bis zum 22. Mai laufen, betroffen. Die Zeitung findet: Auf nationaler Ebene hackt es bei den Gesprächen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretungen. Auf Ebene der Unternehmen läuft die Konzertierung zwischen Chefetage und Gewerkschaften aber relativ gut.
In neun von zehn Betrieben wird das Sozialklima als gut beschrieben. Die Betriebsräte tragen wesentlich dazu bei, meint L'Avenir.
"Keim der Terrorzellen von Paris und Brüssel"
La Libre Belgique befasst sich mit dem Prozess gegen die Terrorzelle von Verviers, der heute in Brüssel beginnt. Für die Zeitung war Verviers der "Keim der späteren Terrorgruppen von Paris und Brüssel". Was genau die Männer vorhatten, bleibt ein großes Rätsel. Die Ermittler hatten in Verviers Waffen und Sprengstoff sichergestellt.
Auch wenn hierzulande Einiges schief läuft und Belgien teilweise zu Recht an den Pranger gestellt wird, dass die Justiz der Terrorzelle nur 15 Monate nach ihrer Aushebung den Prozess macht, ist eine gute und wichtige Sache.
Erst heiß dann kalt
Het Belang van Limburg kommt auf das traumhafte Wetter vom Wochenende zurück. "Belgien war tatsächlich der heißeste Fleck Europas", titelt das Blatt. Im limburgischen Kleine-Brogel wurden unglaubliche 27,2 Grad gemessen.
Die Abkühlung steht uns bereits ins Haus: Am kommenden Wochenende soll es mit 13 Grad nur noch halb so warm werden.
Alain Kniebs - Bild: Bruno Fahy/BELGA