"Der Generalstreik nimmt Formen an", titelt La Libre Belgique. "Das Gespenst der 45-Stundenwoche stachelt sozialen Protest an", so Le Soir. Und das GrenzEcho schreibt: "Erster Mai im Zeichen des Massenprotests". Die verschiedenen Veranstaltungen, Reden und Proteste am Tag der Arbeit nehmen gerade die frankophonen Zeitungen zum Aufhänger für ihre Kommentare.
L'Avenir gibt einen Überblick über das, was gestern gesagt wurde: Die frankophonen Sozialisten haben die Taktik geändert. Sie haben keine Fundamentalkritik formuliert, sondern konstruktive Vorschläge gemacht, quasi ein Wahlprogramm vorgestellt. Klare Ideen, wie sie die Arbeitszeit künftig regeln wollen. Die Liberalen der MR ihrerseits sind sich weitgehend treu geblieben. In ihren Reden haben sie angekündigt, weiter so zu machen wie bisher. Die sozialen Errungenschaften immer mal ein bisschen schmälern, nicht mit einer umfassenden Reform, sondern eben ein bisschen hier, ein bisschen da. Immerhin wurde auch versichert, dass an der 38-Stundenwoche nicht gerüttelt wird. Aus dem Rahmen des vernunftgeleiteten Diskurses ist die Gewerkschaft FGTB gefallen. Ihr ist nichts Besseres eingefallen, als wieder einmal mit Streik zu drohen. Die Herren und Damen Gewerkschaftler täten gut daran, sich mal neue Formen des Sozialprotestes einfallen zu lassen, findet L'Avenir.
Weniger arbeiten, um weniger zu verdienen?
La Libre Belgique schreibt: Wir müssen uns mal Gedanken machen über die Forderung: Weniger arbeiten, um was eigentlich zu erreichen? Der Franzose Nicolas Sarkozy hat den Satz geprägt: Mehr arbeiten, um mehr zu verdienen. Das leuchtet direkt ein, ist verständlich, und kann von jedem unterschrieben werden. Aber wie ist es mit weniger arbeiten? Zum Beispiel: Weniger arbeiten, um weniger zu verdienen? Eine schwierige Idee in Zeiten, wo alles teurer wird und jeder knapp bei Kasse ist. Weniger arbeiten, damit andere mehr verdienen? Wohl auch schwierig. Weniger arbeiten, um besser zu leben? Das hört sich gut an, wird aber eben schwierig, wenn besser leben oftmals nur mit mehr Geld möglich ist. Wir müssen uns also zusammensetzen und fragen: Wohin soll die Reise gehen? Politiker, Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen gemeinsam darüber nachdenken. Blinde Konfrontation ist der falsche Weg, findet La Libre Belgique.
Le Soir sieht das genau so. Die belgische Gesellschaft steht gerade vor vielen Problemen: Integration, Verkehr, Armut, alternde Gesellschaft, Bildungswesen, Sicherheit usw. Wenn jetzt auch noch die Arbeitszeit reformiert werden soll, könnte das die eine Reform zu viel für die Gesellschaft sein. Reformieren war noch niemals so schwer wie heute. Ideal wäre es deshalb, wenn alle Beteiligten ein Bündnis eingehen würden, um ein Gemeinschaftsprojekt zu definieren. Bei dem jeder Verantwortung übernimmt, Einbußen akzeptiert, aber auch einen klaren Mehrwert am Ende vor Augen sehen kann, meint Le Soir.
Schlammschlacht nach Turtelboom-Rücktritt
Viele flämische Zeitungen beschäftigen sich erneut mit der flämischen Haushaltsministerin Annemie Turtelboom von den flämischen Liberalen. Wegen der von ihr eingeführten und umstrittenen Energieabgabe war sie am Freitag zurückgetreten. Heute berichten viele Zeitungen, dass eine neue Biomasse-Anlage in Gent nicht mit Geldern aus der kritisierten Energieabgabe gebaut werden soll.
De Morgen schreibt: An diesem Wochenende ist es zu einer wahren Schlammschlacht im Lager der flämischen Liberalen gekommen. Alle haben mit Dreck auf die ehemalige Vizeministerpräsidentin Turtelboom geworfen. Allen voran die Parteivorsitzende Gwendolyn Rutten. Sie hat Angst, Wähler zu verlieren. Doch es ist die Frage, ob sie mit der Schlammschlacht das Richtige tut. Sie hätte sich vielleicht die Frage stellen sollen, ob Menschlichkeit im Umgang mit Turtelboom nicht vorteilhafter sein könnte als Herzlosigkeit, so De Morgen.
Auch Het Laatste Nieuws schüttelt den Kopf über das Turtelboom-Bashing der flämischen Liberalen: Turtelboom weiß nun auch, dass es Freundschaft in der Politik nicht gibt. Verbündete gibt es sehr wohl. Aber so etwas ist zeitlich begrenzt und immer selbstgezogen, urteilt Het Laatste Nieuws.
Het Nieuwsblad schaut nach vorne. Rutten sollte am besten eine große Kerze anzünden, wenn sie ihre Position in der Partei behalten will. Denn ob Turtelbooms Nachfolger, Superman Tommelein, die Biomasse-Anlage unter dem Eindruck der Turteltaks verwirklichen kann, und am besten natürlich mit anderen Mitteln, müssen wir abwarten. Aber an einem Wunder zu glauben, ist wohl ein bisschen naiv, so Het Nieuwsblad.
"Fußballfans bestätigen Klischees"
"Das sah aus wie Krieg", schreibt Gazet van Antwerpen zu den Ausschreitungen nach dem Fußballspiel zwischen Antwerpen und Eupen, bei dem am Samstagabend keine der beiden Mannschaften den erhofften Aufstieg in die höchste Spielklasse geschafft hatte. Kommentierend meint das Blatt: Es sollte ein großes Fest werden für den Fußball in Antwerpen. Stattdessen haben einige wenige Frustrierte alle Klischees über Antwerpener Fußballfans bestätigt. Zum Glück wurden diese Ausschreitungen in den sozialen Medien massiv verurteilt. Dort wurde die einzig richtige Botschaft verbreitet: Dieses Jahr ist es nichts geworden mit dem Aufstieg. Nächstes Jahr machen wir es besser. Das ist Sportgeist, findet Gazet van Antwerpen.
Kay Wagner - Bild: Alexis Taminiaux/Belga