"Turtelboom überlebt 'Turteltaks' doch nicht", titelt Gazet van Antwerpen. "Wenn ein Schimpfwort eine Karriere beendet", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "OpenVLD-Vorsitzende Rutten zieht die Notbremse", bemerkt De Standaard.
Alle Zeitungen kommen auf den Rücktritt von Flanderns Finanz- und Energieministerin Annemie Turtelboom zurück. Hintergrund ist die umstrittene Energieabgabe, besser bekannt unter dem für die liberale Politikerin wenig schmeichelhaften Namen "Turteltaks". Um das Zwei-Milliarden-Euro-Loch zu stopfen, das durch die großzügige Förderung von Photovoltaikanlagen in Flandern entstanden war, hatte Turtelboom die Einführung einer Abgabe beschlossen - 100 Euro pro Jahr und Haushalt. Eine neue Steuer, die ausgerechnet den Namen einer liberalen Ministerin trägt, das sorgte innerhalb der OpenVLD für wachsenden Unmut. Turtelboom selbst fühlte sich zum Sündenbock gemacht und trat zurück.
Das vergiftete Geschenk
Gazet van Antwerpen meint: Ihr Rücktritt war wegen des Steuerdebakels schon lange abzusehen, dennoch ist Annemie Turtelboom erhobenen Hauptes von Bord gegangen. Ihren Rücktritt gab sie vor einer Tafel mit der Aufschrift "Es ist der Mut, der zählt" bekannt. Eins muss man ihr lassen, findet die Zeitung: Mut hatte die Antwerpenerin. Für Het Nieuwsblad trägt Parteivorsitzende Gwendolyn Rutten eine Mitschuld an Turtelbooms Untergang. Im Gegenzug für die Beschaffung der Mehrheit auf föderaler Ebene forderte Rutten von N-VA und CD&V eine Beteiligung an der flämischen Regierungskoalition.
Nationalisten und Christdemokraten machten der OpenVLD ein vergiftetes Geschenk: Hätte Rutten besser hingeschaut, dann wäre ihr aufgefallen, welche tickende Zeitbombe im Energieressort versteckt war. Eine Bombe, die der treuen Parteisoldatin Turtelboom jetzt mitten ins Gesicht explodiert ist. Het Laatste Nieuws sieht das genauso: Turtelboom hat die Altlasten der Vorgängerregierungen geerbt: den Schuldenberg des grünen Stroms, entstanden durch die Übersubventionierung von Photovoltaikanlagen durch Sozialisten und Christdemokraten.
De Morgen hält fest: Mit dem Rauswurf Turtelbooms hofft die OpenVLD, aus ihrem Umfragetief herauszukommen. So einfach wird das aber nicht, warnt die Zeitung. Turtelboom ist zwar weg, aber die neue, höchst umstrittene Abgabe bleibt - und damit auch das eigentliche Problem. De Standaard fügt hinzu: Ihr Nachfolger Bart Tommelein wird beweisen müssen, dass er mit dem selben schwachen Blatt besser pokern kann.
Magnette und Lutgen teilen aus
"Die Wallonie ist die neue 'Madame Non'", sagt Paul Magnette in Le Soir. Der wallonische Ministerpräsident findet: Alle Entscheidungen, die die Föderalregierung trifft, sind falsch. Ob Zustimmung zum europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen CETA, Rente mit 67 oder längere Wochenarbeitszeit: "Man müsste genau das Gegenteil machen!", wettert der PS-Politiker. Die Wallonie müsse sich all dem widersetzen.
La Libre Belgique bringt ein Interview mit CDH-Präsident Benoît Lutgen, der zum Rundumschlag gegen alle anderen Parteien ausholt. Den Grünen wirft er vor, "total zu pennen". Eine Viertageswoche bei gleichem Lohn vorzuschlagen, sei reiner Populismus.
Brüssels PS-Bürgermeister Yvan Mayeur vergleicht er mit einem mittelalterlichen Feudalherrscher, der verbissen und gegen alle Widerstände aus dem Volk an seiner Fußgängerzone festhalte. Außerdem spricht er Mayeur die demokratische Legitimität ab: Selbst sein Erster Schöffe im beschaulichen Bastogne habe mehr Vorzugsstimmen als Mayeur bekommen, so Lutgen.
Den Vorstoß der MR, ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen, vergleicht er mit einer Art "Win for Life", bei der jeder 1.000 Euro pro Monat bekommt, um Däumchen zu drehen.
Die Millioneninvestitionen der Gewerkschaften
Pünktlich zum 1. Mai befassen sich De Tijd und L'Echo mit einem der bestgehüteten Geheimnisse des Landes: den Finanzen der Gewerkschaften. Die sind alles andere als transparent. Deshalb fordern die Blätter zu mehr Offenheit auf, schließlich verlangen die Gewerkschaften dies auch von anderen.
Nach Angaben der Zeitungen konnte alleine die christliche Gewerkschaft in den vergangenen Jahren 157 Millionen Euro auf die hohe Kante legen. Damit könnte die CSC belgienweit einen ganzen Monat streiken.
Auch die Geldanlagen der Arbeitnehmervertretungen werden durchleuchtet: So verfügt die liberale Gewerkschaft über einen Ferienkomplex mit 21 Wohnungen, Pool und Tennisplatz in Südfrankreich an der Côte d'Azur. Die sozialistische FGTB hat ebenfalls Millionen in Immobilien investiert, unter anderem in Hotels und Campingplätzen in den Ardennen. Wenn es heißt, dass die Belgier einen Ziegelstein im Magen haben, dann musst die FGTB eine ganze Mauer verschluckt haben, so das Fazit von L'Echo.
Alain Kniebs - Foto: Jasper Jacobs/BELGA