"Jambons' Aussagen bringen Koalition in Verlegenheit", titelt La Libre Belgique. De Morgen stellt den Innenminister auf Seite eins als Drahtseiltänzer dar - auf einem dünnen Seil balancierend zwischen Realität und Populismus. "Warum Jambon bei seinen umstrittenen Äußerungen bleibt", schreibt De Standaard.
Die Polemik um Innenminister Jan Jambon reißt nicht ab. Der N-VA-Politiker hatte am Wochenende erklärt, ein "bedeutender Teil" der muslimischen Gemeinschaft habe am Abend der Anschläge seine Freude zum Ausdruck gebracht. Er verweist auf Meldungen solcher Vorkommnisse im Nationalen Sicherheitsrat. Polizei und Staatsanwaltschaft stützen die Aussagen des Innenministers allerdings nicht.
De Standaard spricht von insgesamt drei kleineren Zwischenfällen am Abend der Anschläge in Brüssel und Brügge. Dass Moslems Straßenfeste abgehalten haben, hält die Zeitung für Gerüchte. Jambon wird vorgeworfen, eine ganze Bevölkerungsgruppe an den Pranger zu stellen.
Inzwischen vergleicht ihn sogar das amerikanische Wall Street Journal mit Donald Trump. Wie Le Soir berichtet, fordert die Opposition, dass der Innenminister dem Parlament Rede und Antwort steht.
Der Ton macht die Musik
Het Laatste Nieuws meint: Im Grunde hat Jambon nicht unrecht. Und jeder von uns weiß das auch. Es gibt eine Minderheit im Islam, die die Gräueltaten der Terrorgruppe IS gutheißt. Sie veranstaltet dafür keine Polonaisen auf offener Straße, sondern tut das stillschweigend. Trotzdem: Der Ton macht die Musik. Und im Ton hat sich Jambon gewaltig vergriffen.
Genau wie Arbeitsminister Kris Peeters, der am Wochenende erklärt hatte, dass wir alle über unsere Verhältnisse leben. Gesamtgesellschaftlich und haushaltstechnisch mag er damit Recht haben - die Fehlbeträge in der Staatskasse sind der beste Beweis dafür. Wir alle wollen die Feststellung aber nicht auf uns selbst beziehen.
Het Nieuwsblad kommt zurück auf den Fall Jambon. Hätte der Innenminister gesagt, dass nicht nur die Terroristen ein Problem darstellen, sondern auch ein kleiner, aber nicht unbedeutender Teil der Muslime, der die Attentäter unterstützt und sie versteckt - er hätte den richtigen Ton getroffen.
Statt Teil der Lösung zu sein, ist Jambon aber jetzt Teil des Problems, findet Gazet van Antwerpen. Man könnte zwar über den tieferen Sinn des Wörtchens "bedeutend" diskutieren, egal wie man es dreht oder wendet, die Aussagen des Innenministers bleiben aber unglücklich. Der N-VA-Politiker hat einen kapitalen Kommunikationsfehler begangen mit schwerwiegenden Folgen, konstatiert das Blatt.
Verhärtete Fronten
Anstatt die Debatte über die gescheiterte Integration eines Teils der muslimischen Jugendlichen konstruktiv zu führen, hat Jambon sie mit seinem Vorstoß versauert. Le Soir hält fest: Das war in Belgien leider schon immer so. Auf der einen Seite diejenigen, die die Alarmglocke läuten, indem sie maßlos übertreiben; auf der anderen Seite diejenigen, die den Kopf in den Sand stecken und die Integrationsprobleme unter den Teppich kehren.
Vor 15 Jahren standen sich die MR und Molenbeeks PS-Bürgermeister Philippe Moureaux in der Frage diametral gegenüber, heute wird dieselbe unmögliche Diskussion von anderen Personen geführt. Die Zeitung fordert eine Rückkehr zur Vernunft, damit endlich Lösungen für die Probleme gefunden werden können.
L'Avenir ist überzeugt, dass Jambons Vorstoß nicht von ungefähr kommt. Die N-VA verliert in den letzten Umfragen spürbar an Zustimmung. Da müssen Spitzenkräfte der Partei ab und an auf populistische Halbwahrheiten zurückgreifen, um die Wähler am rechten Rand bei Laune zu halten.
Das Kalkül wird am Ende aber nicht aufgehen, warnt La Libre Belgique. Der ständige Drahtseilakt auf der roten Linie zwischen demokratischen Parteien und dem rechtextremen Spektrum kann die flämischen Nationalisten auf Dauer nur Wählerstimmen kosten. Genau das hatte sich der Präsident der CD&V Wouter Beke erhofft, als er nach der Wahl förmlich auf ein Bündnis mit der N-VA drängte. Er wollte die Nationalisten durch ihre föderale Regierungsbeteiligung in eine unmögliche Lage manövrieren. Der Plan der CD&V scheint derzeit aufzugehen, so die Zeitung.
"Islam: N-VA muss Ross und Reiter nennen"
De Standaard meint: Die N-VA will die Probleme beim Namen nennen. Dann muss sie uns auch sagen, wie ihre Lösungen aussehen. Über Hooligans, die eine Mahnwache an der Brüsseler Börse stören, wollten die flämischen Nationalisten nicht sprechen, um den Störenfrieden "keine übermäßige Beachtung" zu schenken. Die muslimischen Steinewerfer und Straßentänzer aus Molenbeek sind für die N-VA hingegen bedeutungsvoll. Auch hier fordert die Zeitung die Nationalisten auf, Ross und Reiter zu nennen. Kann sich die N-VA ein Zusammenleben mit dem Islam noch vorstellen? Wenn ja, wie? Und wenn nein, was schlägt sie dann vor?