"Ihr letzter Patzer ist ihr zum Verhängnis geworden", titelt La Dernière Heure. "Warum Michel Galant geopfert hat", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Der Rücktritt der Verkehrsministerin ist auch ein schwerer Schlag für den Regierungschef", analysiert De Standaard.
Einen Tag nach dem Rücktritt von Jacqueline Galant gehen die Zeitungen auf Spurensuche. Unter anderem L'Écho rekonstruiert den Verlauf der letzten Stunden. Fazit: Als klar wurde, dass das Kabinett Galant Premier Michel nicht richtig informiert hatte und doch über eine Zusammenfassung des EU-Mängelberichts zur Sicherheit der belgischen Flughäfen verfügt, musste die Ministerin ihren Hut nehmen. Galant selbst hingegen sieht sich als Opfer eines "Kreuzzugs" des ebenfalls zurückgetretenen Leiters des Verkehrsministeriums.
Das sieht Le Soir grundlegend anders: Der Rauswurf Galants war unvermeidbar. Eigentlich stand der Rücktritt schon seit ihrem Amtsantritt vor eineinhalb Jahren in den Sternen geschrieben. Natürlich hatte Galant einen verdammt schwierigen Posten - auch andere Verkehrsminister vor ihr sind aus ihrem Sitz geschleudert worden. Trotzdem hält die Zeitung Jacqueline Galant für eine Fehlbesetzung. Ihr Temperament, ihre Arroganz, aber vor allem ihre unzureichende Kompetenz für dieses schwierige Amt sind ihr jetzt zum Verhängnis geworden.
La Libre Belgique sieht das ähnlich: Ihr letzter Schnitzer in Sachen EU-Mängelbericht reiht sich in eine lange Liste unverzeihlicher Fehler ein. Zu oft war Jacqueline Galant unklar, hat für Verwirrung und Chaos gesorgt - unter anderem im Umgang mit Zahlen.
Käsehobel und Kamikaze
De Morgen meint: Was ihr Rücktritt aber nicht löst, sind die strukturellen Probleme - ausgelöst durch den so genannten Käsehobel. Jahrelang sind auf föderaler Ebene Einschnitte vorgenommen worden, scheinbar ohne dass wir Bürger etwas davon zu spüren bekommen. Jetzt zeigt sich aber: Viele Dienste sind chronisch unterfinanziert. Dazu gehört auch die Luftfahrtaufsicht, die wegen Personalmangels nicht häufig genug die Sicherheitssysteme an den Flughäfen überprüfen kann.
L'Avenir sieht eine Mitschuld für den Rücktritt Galants beim Premierminister. Die MR-Politikerin gilt als treue Weggefährtin von Charles Michel. Er selbst hatte die 42-Jährige bei der Zusammenstellung der Schwedischen Koalition zur Ministerin gemacht. Außerdem zeigt sich, welchen schweren Stand die MR in dieser ungewöhnlichen Koalition hat. Als einzige französischsprachige Partei steuert sie insgesamt sieben Minister zur Regierung bei. Wie schwierig es ist, soviel Spitzenkräfte auf einmal zu liefern, wird immer deutlicher. Hervé Jamar musste bereits ausgewechselt werden, Jacqueline Galant ist jetzt rausgeflogen und auch Energieministerin Marie-Christine Marghem gilt als Wackelkandidatin.
Problem "aufgeblähte Minister-Kabinette"
La Libre Belgique erinnert daran, dass bereits zu Amtsantritt der Regierung Michel eine MR-Politikerin über das eigene Minister-Team gesagt hatte: "Was für eine beschissene Besetzung". Wie Recht sie damals hatte, findet das Blatt. Gazet van Antwerpen schreibt: Nicht umsonst trägt die Regierung den Namen Kamikaze-Koalition. Man muss aber ehrlicherweise hinzufügen: Es gibt derzeit keine Alternative für dieses Mitte-Rechts-Bündnis.
De Standaard hält fest: Es gab diese Woche nicht nur den Rücktritt von Jacqueline Galant. Auch die Bildungs- und Kulturministerin der Französischen Gemeinschaft, Joëlle Milquet, hat ihren Posten geräumt. Die Gründe für die beiden Rücktritte sind zwar völlig unterschiedlich, doch sie zeigen eine Gemeinsamkeit auf: die große Rolle der ministeriellen Kabinette. Ob auf föderaler Ebene oder in den Teilstaaten: Überall sorgt das schlechte Zusammenspiel zwischen einer zum Teil noch politisierten Verwaltung und aufgeblähten Minister-Kabinetten für Probleme.
La Libre Belgique sieht ein weiteres Problem: Der belgischen Politik fehlt es an Nachwuchskräften. Die Zeitung sieht dafür zwei Gründe: Alte Platzhirsche machen jungen Talenten das Leben schwer. Und: Mittlerweile ist das Image der Politiker so schlecht, dass zu Wenige den Schritt in die Politik wagen.
Kris Peeters und Jan Böhmermann
In Het Laatste Nieuws meldet sich Kris Peeters zu Wort. Auf der Titelseite warnt der CD&V-Vizepremier: "Die Haushaltskontrolle war nur ein kleiner Vorgeschmack. Im Juli wird der Rotstift richtig fest angesetzt werden müssen". Der Arbeitsminister schielt damit bereits auf die schwierige Haushaltsplanung für 2017. "Wir alle leben über unsere Verhältnisse", erklärt Peeters, der uns auf harte Einschnitte einstimmt. Diesmal werde niemand verschont, verspricht er. Auch nicht Großverdiener und Vermögende.
Unter anderem De Morgen befasst sich mit der Entscheidung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, den Weg frei zu machen für ein Strafverfahren gegen den Comedian Jan Böhmermann. Wegen seines Schmähgedichts gegen den türkischen Präsidenten droht ihm jetzt ein Prozess. Der Vorwurf: Majestätsbeleidigung. Die Zeitung kann den Schritt der Bundesregierung überhaupt nicht nachvollziehen. Presse- und Meinungsfreiheit gehören zu unseren Grundrechten. So geschmacklos die Satire auch sein mag, in einer Demokratie muss so etwas erlaubt sein. Und wenn der türkische Präsident damit ein Problem hat, muss er in den Keller gehen und dort weinen. In einer Demokratie muss man Satire aushalten können. Deshalb schlussfolgert die Zeitung: "Je suis Jan Böhmermann".
Alain Kniebs - Bild: Dirk Waem/BELGA