"Bösartig, unverantwortlich, schamlos", steht in übergroßen Lettern auf Seite eins von Het Nieuwsblad. "Die Fluglotsen kapern den Flughafen", titelt Gazet van Antwerpen. "Streik zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins.
Eine kleine Gruppe von Fluglotsen hat gestern am späten Nachmittag mit einer wilden Streikaktion begonnen. Hintergrund ist eine neue Pensionsregelung, auf die sich die Direktion mit der sozialistischen Gewerkschaft CGSP geeinigt hatte. Die beiden anderen Gewerkschaften lehnen die Vereinbarung ab, ebenso wie die "Gilde der Fluglotsen", ein kleiner, unabhängiger Berufsverband. Und eben diese Gilde hat offenbar ihre Mitglieder dazu aufgerufen, sich spontan krank zu melden.
"Eine Anhebung des Rentenalters auf 58 Jahre, dafür aber fünf zusätzliche Urlaubstage und obendrauf noch eine Prämie - die Fluglotsen finden das inakzeptabel", schreibt anklagend De Standaard auf Seite eins. Fakt ist jedenfalls, dass alleine gestern 100 Flüge gestrichen werden mussten; auch für heute hat Brussels Airlines bereits 50 annulliert.
Die wilde Protestaktion sorgt für einen Sturm der Entrüstung. Der Verband der fünf größten europäischen Airlines verurteilte mit scharfen Worten den Streik. Het Laatste Nieuws bringt es auf den Punkt: "Nach den Bomben, dem Chaos und den Warteschlangen sorgt der wilde Streik für totales Unverständnis".
"Das ist Belgien", schreibt Le Soir auf seiner Titelseite. Und das ist keine Feststellung, sondern eine sarkastische Anklage. Nicht nur, dass dem Flughafen und seinen Kunden ein neuer, schwerer Schlag versetzt wird. Das Ganze schadet auch einmal mehr dem Image des Landes. Das brauchten wir jetzt wirklich nicht, meint die Zeitung sinngemäß.
De Morgen stellt sich die Frage, ob das nicht des Schlechten zu viel ist: "Kann Zaventem diesen Schlag noch wegstecken?", fragt sich das Blatt. Für einige Kunden könnte das genau der Tropfen sein, der das Fass jetzt zum Überlaufen bringt. "Als Reaktion auf diese Streikaktion könnte die eine oder andere Airline ihre Sachen packen und Brüssel verlassen", sagt ein Experte.
Heller Wahnsinn, völlig daneben
Viele Leitartikler sind fuchsteufelswild. Muss das wirklich sein?, fragt sich etwa Gazet van Antwerpen. Die Aktion steht in schrillem Kontrast zu den Anstrengungen von Hunderten Mitarbeitern des Brussels Airports und der Fluggesellschaften, die wirklich alle Hebel in Bewegung setzen, um zu retten, was noch zu retten ist.
Diese Aktion ist eine Beleidigung für all diese Menschen, die buchstäblich Tag und Nacht daran arbeiten, die Folgen der Anschläge zu beseitigen, meint auch La Libre Belgique. Dieser Streik ist verabscheuungswürdig. Jetzt zu streiken ist der helle Wahnsinn, wettert auch Het Nieuwsblad. Diese Aktion ist nicht schön zu reden. Da können die Mitarbeiter noch so unzufrieden sein, ihre Reaktion ist vollkommen daneben.
Het Laatste Nieuws fühlt sich an eine Komödie von Molière erinnert: "Der eingebildete Kranke". Eigentlich könnte man sich totlachen, wenn es nicht regelrecht zum Heulen wäre. Ein Streik, jetzt, drei Wochen nach den Bomben im Brussels Airport - was für ein beklopptes Timing! Wie kann man nur so weltfremd sein. Krank wird man darüber, nicht nur als Flugreisender, sondern auch als Bürger, als Steuerzahler, kurz und knapp: als Belgier. Gerade von Fluglotsen, die zweifelsohne einen äußerst verantwortungsvollen Job haben, hätte man sich mehr Bürgersinn gewünscht.
L'Echo sieht eine Parallele zum Ende der Sabena. Auch damals, 2001, glaubte eine Gewerkschaft, dass sie trotz der angespannten Lage noch einen Streik vom Zaun brechen musste. Mit Scheuklappen auf den Augen war man wohl davon überzeugt, dass die Sabena unsinkbar sei. Das Resultat kennen wir. Die Fluglotsen sind offenbar genauso weltfremd und erkennen nicht, dass der kompletten belgischen Luftfahrtbranche dasselbe Schicksal droht wie der angeblich unverwüstlichen Sabena: ein unvorstellbarer Crash.
Dieses Land ist sein schlimmster Feind, stellt auch Le Soir resigniert fest. Haben wir alle den Verstand verloren, den Sinn für die Realität? Belgien ist gerade dabei, sich selber von der Weltkarte zu putzen. Einmal mehr liefern wir den Beweis, dass wir unfähig sind, ein Land funktionieren zu lassen. Die Politiker sind da das perfekte Spiegelbild. Auch sie verlieren sich in heillosen Diskussionen über politischen Kleinkram, die letztlich nicht zielführend sind. Was bleibt, das ist das Bild eines Landes, das nur aus Solisten besteht. Es gibt keinen Dirigenten, keine gemeinsame Richtung, kein kollektives Verantwortungsbewusstsein. Das Schlimmste ist: All diese Dinge festzustellen, das ist eine Sache, sie zu beheben, das ist eine ganz andere.
Ministerin lehnte Verstärkung der Flughafensicherheit ab
L'Echo bringt derweil heute eine Aufmachergeschichte, die noch viel Staub aufwirbeln könnte. "Mobilitätsministerin Galant hatte zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen am Brussels Airport abgelehnt", schreibt das Blatt. Demnach hatte die Verwaltung mehrmals an die MR-Ministerin appelliert, mehr Mittel für die Sicherheit am Flughafen bereitzustellen. Zuletzt war das nach dem gescheiterten Anschlag auf den Thalys; die Ministerin habe das aber immer abgelehnt.
N-VA will "republikanische Monarchie"
"So will die N-VA Philippe in einen König ohne Macht verwandeln", titelt schließlich La Libre Belgique. "Der König ist überflüssig und unnütz", zitiert auch Le Soir aus Plänen der Partei von Bart De Wever. Die N-VA bereitet ja eine neue Staatsreform vor. Und im Raum steht da, dass Belgien in eine "republikanische Monarchie" umgewandelt werden soll. Fazit von La Libre Belgique: "In der Welt der N-VA ist der König nackt".
Roger Pint - Bild: Julien Warnand/BELGA