"Schwere Fehler", titelt Le Soir. "Mindestens sechs Fehlentscheidungen", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Und Het Nieuwsblad schreibt auf seiner Titelseite: "Auch nur beinahe zurückzutreten ist eine Kunst".
Auch am Tag drei nach den Terroranschlägen von Brüssel beherrscht dieses Thema immer noch die Zeitungen. Die Leitartikler machen sich vor allem Gedanken zu den abgelehnten Rücktritten der beiden Föderalminister Jan Jambon und Koen Geens. Der Innen- und der Justizminister wollten ihr Amt niederlegen, weil es deutliche Hinweise darauf gegeben hatte, dass schwere Fehler bei der Terrorfahndung in den vergangenen Monaten gemacht worden waren. Aber Premierminister Charles Michel hatte die Rücktrittsgesuche abgelehnt.
Beißende Kritik an diesen Vorgängen formuliert die Wirtschaftszeitung L'Echo: So ein Possenspiel ist völlig deplatziert. Wenn ein Schiff am Sinken ist, geht der Kapitän nicht einfach von Bord. Würdig hält er die Stellung bis zum Schluss; und erst wenn alle wieder sicheren Boden unter den Füßen haben, wird Bilanz gezogen. Das hätten auch Jambon und Geens wissen müssen. Noch befindet sich das Land in Trauer, noch sind wir dabei, die weiterhin drohende Gefahr zu bannen. Jetzt die Ämter niederzulegen, ist der falsche Zeitpunkt, meint L'Echo.
Rein politische Manöver sind jetzt fehl am Platze
La Libre Belgique sieht das genauso: Das war nicht nötig und muss als rein politisches Manöver gewertet werden. Aber solche politischen Manöver sind jetzt völlig fehl am Platz. Lassen wir doch erst die Sonderkommission der Kammer, die jetzt eingerichtet worden ist, ihre Arbeit machen. Danach können Konsequenzen gezogen werden, findet La Libre Belgique.
Anders hingegen Le Soir: Dieses Szenario hätten wir uns natürlich gerne erspart. Aber Jambon und Geens konnten nichts anderes machen, als ihren Rücktritten anzubieten. Zu schwer wiegen die Vorwürfe gegen sie. Zu groß sind die Fehler, die bei der Terrorfahndung und vor allem rund um einen der beiden Selbstmordattentäter vom Brüsseler Flughafen, Ibrahim El Bakraoui, gemacht worden sind. Diese Fehler sind enorm. Und sie sind diesmal nicht das übliche Belgien-Bashing ausländischer Journalisten und Politiker, sondern ein ganz konkreter Fall, wo Belgien versagt hat, meint Le Soir.
Für L'Avenir hätten die Rücktritte nicht viel gebracht: Es reicht nicht aus, zuzugeben, dass man Fehler gemacht hat. Und auch nicht, seinen Rücktritt zu erklären. Die Vorfälle, die mehr als 30 Menschen das Leben gekostet und unser Land völlig destabilisiert haben, müssen aufgeklärt werden. Vollkommen. Charles Michel verspricht das. Warten wir ab, ob er sein Versprechen hält, so L'Avenir.
"Wir wollen Antworten!"
Ähnlich sieht es La Dernière Heure: Die drei Minister, die für die begangenen Fehler verantwortlich sind - neben Jambon und Geens auch noch Außenminister Didier Reynders - müssen alle Karten auf den Tisch legen. "Wir wollen Antworten!", hat gestern in der Kammer ein Oppositionspolitiker gerufen. Auch die Bürger wollen Antworten. Was sie aber vor allem wollen, ist die Wahrheit, weiß La Dernière Heure.
Auch De Morgen gehört zu den Zeitungen, die den Zeitpunkt der Rücktrittsgesuche als "geschmacklos" bewerten. Für De Morgen gilt es vor allem, zu klären, ob die Fehler, die gemacht worden sind, menschliche Fehler waren, oder ob sie von den Strukturen in Belgien bedingt wurden.
De Standaard findet darauf schon eine Antwort. Zurückzutreten wäre falsch. Der Grund dafür, dass Belgien jetzt vor der ganzen Welt lächerlich gemacht wurde und das zudem noch vom türkischen Staatspräsidenten Erdogan, ist nicht das Versagen von Ministern. Sondern das Versagen unserer Strukturen. In Belgien zu regieren heißt mittlerweile, am Rande des Abgrunds zu regieren. Die Kompetenzen unserer Föderalpolitiker reichen nicht mehr aus. Sie können mit ihren Entscheidungen das Land gar nicht durchdringen. Zu viele andere politische Ebenen mit ihren über die Jahre hinweg erstrittenen Kompetenzen hindern sie daran. Das muss sich wieder ändern. Was jetzt gebraucht wird, ist eine große Politik und die Rückbesinnung auf die Stärken des Nationalen, fordert De Standaard.
Gerade die linke Opposition sollte nicht zu laut grölen
Ganz ähnlich sieht das Het Laatste Nieuws: Die Fehler, die gemacht worden sind, sind schlimm. Ohne Frage. Aber sie sind nicht die Schuld der Minister Jambon und Geens. Sie sind erst anderthalb Jahre im Amt. Das ist viel zu kurz, um verantwortlich gemacht werden zu können für all das, was zu den Attentaten von Brüssel geführt hat. Die Ursachen dieser Fehler liegen in den Strukturen unseres Landes. Diese sind über Jahrzehnte gewachsen. Wenn gerade die linke Opposition jetzt grölt und mit dem Finger auf die Minister zeigt, vergisst sie, dass sie selbst jahrelang diese Strukturen mitaufgebaut hat. Die Verantwortlichkeit von Jambon und Geens ist hauchdünn. Das Erbe, das sie mit sich herumschleppen müssen, ist zentnerschwer, meint Het Laatste Nieuws.